Kritik an Inklusion im Fußball

Wenn die deutsche Fußball-Nationalelf morgen gegen Argentinien um den WM-Titel spielt, dann blickt alles nach Rio de Janeiro. Knapp einen Monat später rollt der Ball am Zuckerhut erneut um WM-Ehren - doch dieses Turnier mit neun Mannschaften läuft in Sao Paulo vom 9. bis 25. August unter dem Radar. Es ist ja "nur" die Fußball-WM der geistig Behinderten.

Während Joachim Löws DFB-Kicker elitär im Campo Bahia, dessen Errichtung 1,5 Millionen Euro kostete, untergebracht sind, müssen sich die Behinderten-Ballsportler die Gelder vom Bundesinnenmisterium für den Deutschen Behindertensportverband (DBS) mit anderen Sparten teilen. Für den Trip an den Zuckerhut inklusive Logis im Hotel stehen 100 000 Euro zur Verfügung. Impfungen zahlt jeder aus dem 18er-Kader von Bundestrainer Jörg Dittwar selbst. Die Mannschaft von Dittwar verfügt über einen Jahresetat von gerade einmal 12 000 Euro. Das reicht soeben für zwei Trainingslager im WM-Jahr.

"Der Inklusionsgedanke funktioniert in unserem Fußball nicht. Man soll dafür nicht dieses Wort missbrauchen", sagt Hans-Joachim Grätsch. Der Geschäftsführer des Lebenshilfewerks Kreis Herzogtum Lauenburg, das auch in Schwarzenbek zwei Einrichtungen hat, beklagt die Vernachlässigung geistig behinderter Kicker durch den Dachverband. "Ich frage mich, warum der DFB als reichster Sportverband der Welt hier nicht fördert", kritisiert Grätsch, der durch seine tägliche Arbeit weiß, worauf es ankommt. "Diese Menschen brauchen ein Vielfaches an Betreuung. Wenn ich sehe, dass unsere Nationalelf mit über 100 Funktionären in Brasilien weilt und dagegen nur wenige Funktionäre mit den Behinderten dorthin reisen, ärgert mich das."

Acht Betreuer inklusive Trainer Dittwar werden es sein. Im internationalen Vergleich sei Deutschland finanziell gut aufgestellt, meint der Ex-Bundesligaspieler des 1. FC Nürnberg, denn die WM sei eigentlich auf 16 Teams ausgelegt, und es habe mehrere Absagen aufgrund fehlender monetärer Mittel gegeben. Doch die mangelnde Organisation und das allgemeine Desinteresse am Behinderten-Fußball seien große Baustellen. "Ich denke, dass es bessere Spieler gibt als die, die ich habe. Jedoch weiß ich gar nicht, wo es überall Turniere in unserem Land gibt", sagt Dittwar, den leider nicht alle Landesverbände unterstützen. Als Neuerung will nun der DFB Behinderten-Beauftragte einsetzen, um Talente zu entdecken

Obgleich: Dittwars Fazit ist ernüchternd: "Fußball im Behinderten-Bereich interessiert keinen." Deutschland trifft bei der WM in der Gruppe auf Polen und Südafrika, Titelverteidiger ist Saudi-Arabien.