Lesung: Yared Dibaba über das Glück, zwei Heimaten zu haben und seine TV-Karriere

Er ist der "coolste" Plattschnacker des Nordens. Yared Terfa Dibaba wurde 1969 in Äthiopien geboren. Weil sein Vater in Osnabrück Erziehungswissenschaften studierte, kam die Familie 1973 nach Deutschland. Drei Jahre später kehrten die Dibabas nach Äthiopien zurück, um 1979 vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland zu flüchten. Dibaba wuchs im Oldenburger Land auf, lernte dort Plattdeutsch. Nach dem Abitur erlernte er in Bremen bei einem Kaffeeimporteur den Beruf des Groß- und Außenhandelskaufmanns, bildete sich zum Kaffeetester weiter - um dann Schauspiel und Musik zu studieren. Mit Dibaba, der als Moderator beim NDR in Hamburg arbeitet und heute Abend (19.30 Uhr) in den Festsaal des Rathauses kommt, sprach Jan Schubert.

Herr Dibaba, Sie kommen mit Ihrem Programm "Mien Welt is platt" ins Rathaus...

Das Interview ist jetzt auf Hochdeutsch? Das kann ich nicht so gut.

Plattdeutsch kann ich aber überhaupt nicht.

Das ist schon in Ordnung. Ich wollte mal ein bisschen witzig sein. (lacht) Geplant ist ein plattdeutscher Abend, in dem ich ein wenig aus meinen Büchern vorlese, etwas zur plattdeutschen Sprache sage, ein paar "Döntjes op Platt vertell". Es wird humoristisch, es darf gelacht werden.

Sie erwähnten gerade ihre Autorentätigkeit. Dazu sind Sie Moderator, der auf dem gesamten Erdball Plattschnacker sucht, außerdem Schauspieler, Musiker und zweifacher Familienvater. Woher nehmen Sie die ganze Kraft und Power für ihre vielen Tätigkeiten?

Erstens ist es eine gute Zeiteinteilung. Zweitens sind das alles Dinge, die total viel Spaß machen. Im Grunde sind dies ganz viele Hobbys, die ich in einem Beruf zusammengefasst habe und die ich natürlich auch professionell betreibe. Deswegen kostet es zwar viel Kraft, gibt aber auch ebenso viel Kraft und Energie zurück. Wenn etwas Freude macht, dann ist es auch mal so, dass die Dinge fast von selber laufen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

"Die Welt op Platt" ist es beispielsweise faszinierend, Menschen im Ausland zu treffen, die plattdeutsch sprechen. Da ist es nun wirklich nicht so, dass man darüber nachdenkt, wie anstrengend das alles ist. Wenn man ein einigermaßen solides Leben führt, kann man aus diesen Erfahrungen für sich sogar noch etwas mitnehmen. Das ist inspirierend und lehrreich zugleich.

Plattdeutsch ist ja eine Sprache, die eher unter älteren Mitbürgern verbreitet ist. Sie haben damit aber generationenübergreifend Erfolg. Woran liegt das?

Ich glaube, das liegt auch am Plattdeutsch. Man unterschätzt die Zahl, aber es gibt viele junge Leute, die von Haus aus Plattdeutsch sprechen, gerade im ländlichen Bereich. Für einige ist es die erste Sprache, sie haben sie schon in der Kindheit gesprochen und lernen Hochdeutsch erst als zweites. Viele Jüngere merken: "Mensch, das ist die Sprache unserer Heimat", und verbinden damit etwas ganz Modernes. Gerade in einer Zeit, wo wir Fenster und Türen für die Welt öffnen und in die Ferne blicken, ist es auch ganz wichtig zu wissen, wo wir herkommen. Dann hat man auch ein Gefühl und einen Draht zu Menschen, die aus anderen Ländern kommen. Dann weiß man es auch zu schätzen, dass Menschen anders sind.

Würden Sie sagen, dass sie als schwarzer Plattschnacker ein Alleinstellungsmerkmal haben und haben Sie sich dies bewusst ausgesucht?

Es hat gar nichts mit der Hautfarbe zu tun. Das, was die Menschen wundert, ist, dass jemand, der nicht in dieser Region geboren ist, sich so für diese Sprache begeistert. Wer mich kennt, weiß aber, dass das ganz logisch ist, denn ich bin jemand, der sehr heimatverbunden ist und Sprachen liebt. Ich habe stets versucht, die Sprache der Region, in der ich gerade gelebt habe, zu lernen und zu sprechen. Das ist immer der beste Weg, Menschen richtig kennenzulernen. Deshalb ist es für viele insofern ein Alleinstellungsmerkmal, das sie an meiner Hautfarbe festmachen, aber damit hat es nichts zu tun. Ich bin hier aufgewachsen und mag deshalb die Sprache so gern.

Welche Beziehung haben Sie heute noch zu Ihrem Geburtsland Äthiopien?

Ich bin leider sehr selten dort, weil in einigen Regionen die politischen Verhältnisse unsicher sind. Natürlich habe ich dort Verwandtschaft, Cousinen und Cousins, Onkel und Tanten. Das ist meine erste Heimat, dort bin ich auf die Welt gekommen, meine Muttersprache ist Oromo. Ich habe das große Glück, dass ich zwei Heimaten habe.

Im Jahr 2006 haben Sie während der Fußball-WM das Hamburger Fanfest moderiert. Inwieweit wäre es für Sie reizvoll gewesen, bei der WM in Brasilien eine Moderation zu übernehmen?

Wenn ich gefragt werde, dann bin ich sofort da. Ich bin ja ein Hanseat und dränge mich bei solchen Dingen nicht auf. In Brasilien war ich schon einmal und habe dort eine plattdeutsche Sendung aufgezeichnet. Außerdem bin ich in Sachen Fußball ein ganz großer Brasilien-Fan und mag die Mentalität sehr gern. Es gibt aber natürlich auch so richtige Fußballexperten, die vorher ausgesucht wurden und nun mit Recht vor Ort sind.

Gibt es dennoch irgendeine Sendung, in der Sie unbedingt eines Tages noch einmal mitmachen möchten? Wie wäre es beispielsweise als Gegenspieler von Til Schweiger im Hamburger Tatort?

Da wäre ich sofort dabei. Das wäre doch für Ihre Zeitung die Gelegenheit, einen Brief an die Tatort-Produzenten zu schreiben mit dem Tenor: "Wir wollen den Dibaba mit Til Schweiger im Tatort sehen!" Ich wäre der Letzte, der Nein sagt (lacht).