Henning Scherf übers Älterwerden und eine große Dummheit

Er gilt als volksnah, manche nennen ihn sogar etwas despektierlich den "Oma-Knutscher": Henning Scherf, von 1995 bis 2005 Bremens Bürgermeister und Präsident des Senats, referiert am morgigen Donnerstag um 18.30 Uhr in der Basthorster St.-Marien-Kirche über das Thema, worüber der 75-Jährige am liebsten spricht: "Mehr Leben - warum Jung und Alt zusammengehören" ist ein Plädoyer für den Austausch unterschiedlichster Altersstrukturen in unserer Gesellschaft. Im Interview mit unserer Zeitung berichtet Scherf, warum er immer noch beinahe ununterbrochen im Auftrag des menschlichen Zusammenlebens auf Achse ist, aber auch von einer ganz dummen persönlichen Angelegenheit.

Herr Scherf, die vergangene Woche war typisch für Sie. Sie reisten durch das gesamte Bundesgebiet, hielten Festreferate bei Stiftungs-Jubiläen und fuhren auf Tandemrädern mit Demenzpatienten. Woher nehmen Sie mit 75 Jahren und nach ihrer umfangreichen politischen und beruflichen Karriere noch diese Energie?

Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen habe ich Glück mit meiner Gesundheit. Dann habe ich Glück mit meiner Ehe, wir sind jetzt im 54. Jahr verheiratet. Meine Ehefrau Luise und ich tragen uns gegenseitig, das ist wunderbar. Unsere drei Kinder und unsere neun Enkelkinder sind toll gelungen. Unsere Hauswohngemeinschaft ist wunderbar aufgestellt, wir wohnen ja seit fast 27 Jahren zusammen. Und ich habe viele wunderbare Ehrenämter, schreibe Bücher, halte Vorträge und gebe Interviews.

Ihr Vortrag in Basthorst heißt "Mehr Leben - warum Jung und Alt zusammengehören". Warum passen Jung und Alt Ihrer Meinung nach denn so gut zusammen?

Das ist ja auch der Titel meines Buches zu meinem 75. Geburtstag, und darin erzähle ich eben über Mehrgenerationen-Projekte und meine eigenen Erfahrungen. Es ist für alle ein ganz großes Glück, wenn es gelingt, von mehreren Generationen seinen Alltag zu gestalten. Vor Jahrhunderten war das selbstverständlich. Da haben Großfamilien im Regelfall zusammen bis ins hohe Alter gelebt. Heute ist das eher die große, beneidete Ausnahme.

Ihre Enkel leben über die gesamte Republik verteilt, aber Sie schaffen es trotzdem, Kontakt zu kleineren Kindern zu pflegen.

Ich gehe regelmäßig an die Grundschulen und lese den Kindern vor. Das mache ich, seitdem ich aus dem Rathaus raus bin. Überall entdecke ich solche wunderbaren Anlässe und Orte, an denen sich Generationen begegnen. Und ich merke, dass das uns guttut. Das regt uns an und hält uns mobil, weckt unsere Neugier und Kreativität.

Sie sprachen Ihre Mehrgenerationen-WG an. Wie sieht denn so ein Tagesablauf aus?

Sehr unterschiedlich, sehr individuell. Ich rede am meisten darüber und bekomme eigentlich am wenigsten davon mit, weil ich ständig unterwegs bin (lacht). Jeder macht es so, wie er es für richtig hält. Wir frühstücken einmal in der Woche am Sonnabend gemeinsam, sonst ist das nicht zu koordinieren. Dann haben wir einen großen Garten und haben richtig viel zu tun mit unserem Grün. Mittlerweile verfügen wir über nur noch ein Auto, hatten früher viel mehr, haben uns aber schrittweise darauf zurückgezogen. Wir machen auch gemeinsame Urlaube. Bei uns zwingen wir niemanden zu irgendwelchen Diensten, alles geschieht freiwillig.

Wie viele Leute leben bei Ihnen unter einem Dach?

Unsere WG ist für zehn Personen ausgelegt, aber im Moment sind wir nur zu acht, weil meine Frau darauf achtet, dass wir Platz für unsere Enkelkinder haben.

Die Bremer Staatsanwaltschaft hat gerade gegen eine Auflage ein Ermittlungsverfahren gegen Sie eingestellt. Wegen des Verdachts der Falschaussage sollen Sie jetzt 5000 Euro an den Weissen Ring zahlen. Was ist genau vorgefallen?

Dahinter liegt ein ganz verkorkstes Verfahren, das gar nicht gegen mich ging. Angeklagt war dort ein Auftragsarzt der Polizei wegen eines tödlichen Brechmitteleinsatzes gegen einen Kokain-Kleinhändler. Ich sollte damals als Zeuge aussagen und habe einen ganz großen Fehler gemacht, weil ich zu spät gekommen bin, da ich die Uhrzeiten verwechselt hatte. Ich hatte mein Versehen damit entschuldigt, dass ich eine große Segeltour um Grönland gemacht hatte. Dabei habe ich nicht präzise gesagt, dass ich schon eine Woche vorher zurückgekommen bin, dann aber ununterbrochen unterwegs von einem Vortrag zum nächsten war, sondern dass ich bis zuletzt mit den Seglern unterwegs gewesen bin. Das ist mir als falsche Aussage ausgelegt worden. Mich ärgert das alles sehr, und ich habe mich nicht klug verhalten.