Existenzsorgen: Regierungsvorschlag lässt zu viele Fragen ungeklärt

Der kollektive Aufschrei hat etwas bewegt: Die Existenzängste von Hebammen, die mit immer höheren Versicherungsbeiträgen kämpfen, haben sowohl medial als auch bei den Bürgern hohe Wellen geschlagen. Und plötzlich interessiert sich auch die Regierung für die Geburtshelferinnen.

Rechtzeitig vor dem gestrigen Welthebammentag setzte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit Vertretern und Interessenverbänden der Hebammen an einen Tisch. Gröhes Idee ist die Einführung eines Sicherstellungszuschlages bei der Hebammenvergütung, die primär frei Erwerbstätigen mit einer niedrigen Geburtenrate helfen soll, hohe Versicherungsbeiträge zu stemmen.

Als Lösung für die Probleme ihrer Mitstreiterinnen sieht die Schwarzenbekerin Ilse Renken diesen Minister-Vorschlag nicht. Renken ist eine von zwei freiberuflichen Hebammen im Bereich der Europastadt. Zunächst einmal, sagt die 47-Jährige, sei Gröhes Engagement lobenswert - doch konkret herausgekommen sei bisher noch nichts. "Das mit dem Sicherstellungszuschlag habe ich nicht verstanden, insbesondere von der Finanzierung nicht", sagt Ilse Renken. Bei den unterschiedliche Modellen von beruflicher Tätigkeit in der Geburtshilfe (Angestellte, Beleghebammen und weitere) mutmaßt die Expertin, dass die genaue Vergütungsart noch völlig unklar ist.

In der Frage einer Mindestgeburtenrate für den Zuschlag hat der Minister noch nicht klar Stellung bezogen. Eine solche Rate könnte von den Krankenkassen so hoch angesetzt werden, dass es außerklinisch arbeitenden Hebammen unmöglich ist, ihren Job fortzuführen. Nicht nur deshalb lehnen Hebammenvertreter eine Mindestgeburtenrate ab: Sie gefährde zudem die sichere Betreuung eines Kindes, die 1:1-Betreuung durch eine Hebamme, da es allein mit der Geburtshilfe nicht getan sei. Denn zudem falle Arbeitszeit für Vorsorge, Rufbereitschaften oder Wochenbettbetreuung an, was nicht berücksichtigt würde.

Ilse Renken hält beim Problem der Versicherungsbeiträge - diese liegen für Freiberufler ab Juni bei 5000 Euro jährlich und steigen durch Verteuerungen bei Pflegemaßnahmen ein Jahr später auf 6000 Euro an - eine andere Lösung für besser. "Ein allgemeiner Fonds wäre günstiger. Die Versicherungsbeiträge könnten dann gedeckelt werden, beispielsweise bei 2000 Euro im Jahr. Krankenkassen und Gesetzgeber müssten zur weiteren Finanzierung einspringen."

Fazit: Trotz Gesprächen zwischen Politik und Hebammen gibt es wenig Konkretes: "Die Regierung hat sich einen Zeitaufschub verschafft. Es hat sich gar nichts verbessert So sehe nicht nur ich das, sondern auch viele Kolleginnen", sagt Ilse Renken.