Innenstadt: Ehemaliges Kaufhaus Diestel wird abgerissen

Lederwerkstatt, Möbelkaufhaus, Buchhandlung, Modegeschäft und Reisebüro: Das Backsteingebäude an der Lauenburger Straße 5 hat wahrlich eine bewegte Geschichte hinter sich und wurde in den vergangenen 109 Jahren auch mehrfach umgebaut. Doch damit ist jetzt Schluss. Das Modegeschäft von Hans-Jürgen Linde ist bereits ausgezogen, Ende des Monats räumt auch das Reisebüro Neumann das Gebäude und zieht übergangsweise an die Seestern-Pauly-Straße um. Dann kommt die Abrissbirne und ein weiteres Stück altes Schwarzenbek verschwindet.

Der Dassendorfer Unternehmer Joachim Wunder hat das Haus vor zwei Jahren gekauft und bereits damals das Ziel geäußert, an der gleichen Stelle ein neues Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Es wird wie bisher im Erdgeschoss zwei Läden geben, Rudolf Neumann wird als Mieter auch definitiv zurückkehren. "Wir haben uns das Büro an der Seestern-Pauly-Straße für 18 Monate gesichert, falls es Verzögerungen beim Bau gibt. Aber eigentlich wollen wir in einem Jahr wieder hierher zurückziehen", sagt der Reisebüro-Inhaber.

Der Neubau wird höher und moderner, soll sich aber in das umliegende Gebäude-Ensemble einfügen. Oberhalb der beiden Geschäfte im Erdgeschoss entstehen acht Mietwohnungen mit Flächen von 94 bis 137 Quadratmetern. Der Bereich wird ein Jahr lang eine Großbaustelle mitten in der Stadt.

Vor dem Verkauf an Wunder haben Lisa Ruschin und ihre Schwägerin Irma Diestel in dem Haus gelebt. Die beiden Seniorinnen haben auch viel vom Wandel des Hauses miterlebt. Der Sattler- und Tapeziermeister Hans Diestel hatte das Gebäude im Jahr 1905 gekauft und dort seine Werkstatt eingerichtet. Bis 2012 blieb es im Besitz der Familie. Lisa Ruschin ist vor dem Verkauf gestorben, Irma Diestel ist heute 84 Jahre alt und wohnt in der Nähe ihrer Familie in einem Seniorenwohnheim bei Travemünde.

Als Hans Diestel mit seinem Gewerbe anfing, kamen die Bauern noch mit Pferdefuhrwerken, um Lederteile erneuern zu lassen. Werkstatt blieb das Haus bis 1955 - allerdings mit diversen Umbauten. 1955 eröffneten die Söhne von Hans Diestel ein Möbelgeschäft, in dem natürlich auch Lederwaren angeboten wurden. 1965 kam dann der letzte große Umbau. Seitdem hat das Haus die heutige Form. 1976 war schließlich Schluss mit dem Möbelgeschäft, die Konkurrenz wurde zu groß. Es kamen in den Folgejahren unter anderem die Bücherei Jurtrczenka und CML-Fashion, der Grundstock für das spätere Modekaufhaus von Hans-Jürgen Linde an der Berliner Straße.