Versicherung: Weiterer Anbieter verlässt Konsortium - Prämien immer höher

"Wenn der Anfang im Leben schlecht begleitet ist", sagt Ilse Renken, "dann werden in Zukunft mehr Unfälle bei Geburten passieren, und es wird vermehrt traumatisierte Mütter und Kinder geben." Die Schwarzenbekerin muss es wissen: In diesem Jahr feiert die mittlerweile dreifache Mutter silbernes Berufsjubiläum, ist 25 Jahre in ihrem persönlichen Traumjob. Und dies in einer Tätigkeit, die mit der Zeit immer schwieriger geworden ist.

Besonders für freiberufliche Hebammen wie Renken wird die Lage dramatisch und zum Sommer 2015 fast aussichtslos. Der angekündigte Ausstieg der Nürnberger Versicherung zum 1. Juli kommenden Jahres aus dem Versicherungskonsortium für Hebammen wirft die Frage auf, wer Geburtshelferinnen überhaupt noch versichert. Es droht ein Kollaps der Geburtshilfe. Ruth Pinno, Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands: "Das bedeutet Berufsverbot für freiberufliche Hebammen, denn ohne Haftpflichtversicherung dürfen wir weder Geburten zu Hause, im Geburtshaus oder als 1:1-Beleghebamme in der Klinik betreuen noch Schwangeren- und Wochenbettbetreuungen annehmen. Der Beruf ist akut von der Vernichtung bedroht."

Zuletzt stiegen immer mehr Hebammen aus dem Beruf aus, da die Haftpflichtprämien überproportional anstiegen. Im Juli droht der nächste Prämienzuschlag. Dann müssen Freiberufler mehr 5000 Euro (bisher 4247 Euro) pro Jahr für die Versicherung aufbringen.

Ilse Renken weiß um die Existenznöte ihrer Mitstreiterinnen. Sie arbeitet nicht nur frei, sondern auch an der Asklepios-Klinik Barmbek, besetzt dort eine kleine Stelle, drei Tage im Monat. "Unter 30 Kolleginnen gibt es nur sehr wenige, die Vollzeit arbeiten. Viele Berufseinsteiger, die zwischen zwei und fünf Jahre Vollzeit leisten, wollen dann reduzieren." Die 47-Jährige besetzte selbst drei Jahre eine volle Stelle, aber: "Danach war ich auch fix und fertig. Unter diesen Bedingungen wollte ich nicht arbeiten." Keine Pausen zum Essen oder für die Toilette, Endlosschichten und Einspringen im Krankheitsfall - so sah und so sieht der Berufsalltag vieler Hebammen im Krankenhaus aus.

Und Freiberufliche? Auf denen, die als Hausgeburtshelferinnen oder als Beleghebamme im Krankenhaus tätig sind, lastet laut Renken nicht nur immenser Versicherungsdruck, sondern ein karger Netto-Stundenlohn von 7,50 Euro. "Es lohnt sich hinten und vorn nicht", sagt Renken.

Sinnbildlich sei wohl auch diese Entwicklung: Habe es vor rund 25 Jahren noch etwa 5000 Bewerber auf eine handvoll Ausbildungsplätze gegeben, sei die Anwärterin-Zahl auf ein Minimum zusammengeschmolzen. Vielerorts sind bereits werdende Mütter in der Wahl, wo ihr Kind zur Welt kommt, eingeschränkt, weil es keine Hebammen gibt. Aktuell sind im Bereich Schwarzenbek nur zwei freiberufliche Kräfte im Einsatz.

Attraktiver wird der Hebammenberuf wohl auch nicht durch die angestrebte Akademisierung. Das Angebot "Hebamme Dual" der Asklepios-Kliniken in Kooperation mit der Buxtehuder Hochschule 21, das neben der dreijährigen Ausbildung nach einem weiteren Jahr die Zusatzqualifikation "Bachelor of science" beinhaltet, findet Renken mit einem grundsätzlichen Problem behaftet: "Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Honorierung, also bleibt es für die Hebammen ein finanzielles Nullsummenspiel."

Und die unzureichende Bezahlung bleibt das Grundübel. Die Kündigung eines der letzten Großversicherer für Hebammen könnte den Niedergang für diese Gruppe beschleunigen. "Dann sieht es finster aus", sagt Renken.