Interview: Historiker Manfred Hanisch hält Vortrag über Vergleichbarkeiten von Wirtschaftskrisen

Am Freitag wird in Schwarzenbek Klartext gesprochen: "Wirtschaftskrisen und Staatsbankrotte - Ein historischer Vergleich" heißt der Vortrag des Kieler Universitätsprofessors Prof. Dr. Dr. Manfred Hanisch. Der Historiker will aufzeigen, dass die Erfahrungen und Bewältigungsstrategien des "Schwarzen Donnerstag" aus dem Jahre 1929 nicht eins zu eins umsetzbar sind auf die heutige Krise. Und die aktuelle Schieflage, die seit dem Jahre 2008 die Weltmärkte erschütterte, besteht für den 63-jährigen Hanisch bis heute immer noch, wie er im Interview mit unserer Zeitung verrät:

LL:

Fachleute und Firmenchefs haben zu Jahresbeginn in Umfragen das Ende der Weltwirtschaftskrise erkannt, weil es vermeintlich positive konjunkturelle Signale gibt sowie eine Verbesserung des Investitionsklimas spürbar ist. Herr Hanisch, ist die Krise aus Ihrer Sicht ebenfalls vorbei?

Manfred Hanisch:

Nein, überhaupt nicht. Ein seriöser Wissenschaftler kann auf diese Frage nur sehr, sehr verhalten antworten. Ich kann nur feststellen: Es sind seit 2008 große Risiken angehäuft worden.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich meine zum Beispiel die Bürgschaften für Griechenland, die derzeit nur auf Vertrauen und Glauben beruhen. Wenn sie jetzt fällig werden würden, würden diese Bürgschaften, egal ob im Aus- oder Inland, nie bezahlt werden können. Wie gesagt: Es beruht alles auf gutem Glauben - und manche Akteure verdienen diesen nicht.

Sind derart wuchtige Krisen aus Ihrer historischen Betrachtungsweise eigentlich singuläre Ereignisse oder ein immer wiederkehrendes Phänomen der Weltgeschichte?

Immer wenn man vermehrt Geld in die Welt setzt wie beispielsweise der ehemalige französische Finanzminister John Law oder Deutschland im 1. Weltkrieg zur Ankurbelung der Rüstungsindustrie, erhöht dies die Inflationsgefahr. Die Grundfrage ist doch die Vorhersehbarkeit wirtschaftlicher Abläufe. Man kann als Historiker nur Wahrscheinlichkeiten vorhersagen. Für den Einzelfall ist dies aber nicht vorhersehbar. Trotzdem könnten Politiker diese Vorhersagen zu Hilfe ziehen. Ob sie dies tun, ist zweifelhaft.

Ihr Vortrag in Schwarzenbek behandelt als Oberthema die Erfahrungen aus 1929, die heute die politische Krisenbewältigung bestimmen. Welche Erfahrungen sind dies?

Jede Zeit kann nur über ihren gegenwärtigen Wissenstand verfügen. So war es auch 1929 nach dem New Yorker Börsencrash. Eine sehr konkrete Lehre von damals ist, dass sich heutzutage der Staatenbund in seinem Handeln abstimmt. Früher versuchte jeder Staat für sich, die eigene Haut zu retten. Keine historische Situation ist identisch. Was früher Erfolg hatte, muss heute nicht richtig sein. Ich werde oft gefragt, was ich tun würde. Ich bin Wissenschaftler, kein Politiker. Politiker kommen bei dieser Frage ständig ins Schwimmen. Notwendigerweise. Das ist nicht als Vorwurf gemeint.