Mirsad Fazlic: Seine beiden Töchter sind für den Landestrainer der größte Erfolg

Für ihre Mitschüler beginnt erst am Dienstag wieder der Alltag - für Sejla Fazlic ist schon seit zwei Tagen Schluss mit Weihnachtsferien. Die 14-jährige U15-Nationalspielerin ist gerade auf einem Trainingslehrgang des Deutschen Tischtennisbundes (DTTB) in Heidelberg. Die Neuntklässlerin, die ihre Punktspiele bereits in der Regionalliga der Damen bestreitet und deren Landesrangliste anführt, hat fast jeden Monat einen solchen Lehrgang und generell ein strammes Tagesprogramm.

In der Schulzeit beginnt ihr Tag jeden Morgen um 7.30 Uhr am Gymnasium. Dienstags und mittwochs steht sie noch früher auf, dann hat sie schon um 7 Uhr Training. Dreimal in der Woche ist sie auch nachmittags in der Halle. Zusätzlich trainiert die 14-Jährige sonnabends von 10 bis 12 Uhr, wenn sie nicht gleich das ganze Wochenende auf einem der Wettkämpfe ist, die sie mittlerweile ins ganze Bundesgebiet führen.

"Eigentlich ist immer am Wochenende Wettkampf", sagt Sejla, die von Januar bis März kein einziges Wochenende frei haben wird. "Das ist okay, ich reise gern." Mit dem Silberrang bei der Top-24-Bundesrangliste der Schülerinnen erreichte sie im November 2013 ihren bislang größten Erfolg. Ihr Ziel: "Ich möchte gern in der 1. Bundesliga spielen."

Sejlas Tischtennisleidenschaft begann im zarten Alter von vier Jahren. "Im Keller stand eine Tischtennisplatte, und ich habe Papa gezwungen, mit mir zu spielen", sagt sie schmunzelnd. Papa Mirsad Fazlic, Ex-Nationalspieler aus Bosnien, kapitulierte gern. Allerdings musste er seiner kleinen Tochter erst einmal eine dicke Turnmatte vor die Platte legen, damit sie über das Netz schauen konnte.

Dass der Vater zugleich ihr Trainer ist, wurde bisher nicht zum Problem. Trotzdem gibt es eine doppelte emotionale Ebene, wenn Mirsad Fazlic seine Tochter coacht. "Das ist dann noch 20 Prozent intensiver. Manchmal läuft es hervorragend, weil ich sie so gut kenne, aber manchmal kippt es auch. Ich bin immer auch Papa, und sie immer auch Tochter", sagt er und Sejla ergänzt: "Ich meckere ziemlich oft im Spiel und brauche jemanden, der mich ein bisschen anschreit. Ich mag es nicht so gern, wenn mich jemand Ruhiges betreut."

Fazlic musste 1994 wegen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien sein Ingenieurstudium abbrechen und nach Deutschland flüchten. Hier fasste der ehemalige bosnische Nationalspieler schnell Fuß als Tischtenniscoach. Seit 1995 lebt er in Schwarzenbek. "Sport hilft unheimlich bei der Integration", meint der 45-Jährige. Sein Verein, der TSV Schwarzenbek, ist als Talentnest des DTTB anerkannt und mittlerweile Standort des Landesleistungszentrums, an dem Fazlic seit 2011 als leitender Landestrainer für rund 150 Kinder zuständig ist.

"Wir sind sehr glücklich hier", sagt der Familienvater, der versucht, das Beste aus der bosnischen und der deutschen Mentalität zu vereinbaren. "Der Umgang mit Geld ist unten eher locker, da habe ich mir hier doch viel angeeignet und die Familie abgesichert", sagt er. Dass in Deutschland die Kinder beim Sport vor allem Spaß haben sollen, fand er anfangs allerdings gewöhnungsbedürftig. Um seine Sportler und ihre Eltern zu motivieren, hat er ein Motto entwickelt: "Ich kann, ich will, ich schaffe es und ich sehe dabei einigermaßen gut aus".

Mutter Zuhra ist dafür zuständig, dass das Thema Tischtennis zu Hause nicht die Oberhand gewinnt. Sie geht mit den Töchtern ins Kino, Theater oder Musical und kümmert sich darum, dass sie in der Schule zurechtkommen. "Das ist schwieriger geworden, ich hatte bisher einen Notenschnitt von 2,9, bin aber jetzt etwas schlechter", sagt Sejla. Deshalb hat sie mittwochs zwischen zwei Trainingseinheiten auch noch Nachhilfeunterricht.

"Leistungssport mit G8 am Gymnasium geht eigentlich gar nicht zusammen, es sei denn, das Kind ist genial", sagt der Vater, der wegen der Doppelbelastung seiner Tochter manchmal ein schlechtes Gewissen hat: "Aber sie ist sehr ehrgeizig und macht das gern." Sejlas Ziel sind Abitur und eine Ausbildung. Das Sportinternat in Düsseldorf, das ihre Nationalmannschaftkollegen besuchen, ist für sie derzeit aber keine Alternative: "Ich habe hier gute Bedingungen und mache auch Fortschritte, und so sehe ich meine Familie weiter."

Schwester Ajla (17) baut derweil ihr Talent als Nachwuchstrainerin aus, betreut den Nachwuchs im Kreiskader und will einmal Investmentbankerin werden. "Sie ist gut in der Schule und sehr zielstrebig und hat schon eine C-Trainerlizenz", sagt der Vater stolz. Ostern 2014 wird Ajla die Schleswig-Holsteinische Jugendlandesauswahl als Trainerin zum Lehrgang nach Hangzhou in China begleiten. Sejla wird nicht mitfahren können, denn dann sind gerade die Deutschen Meisterschaften U18: "Für die werde ich mich wohl wieder auf der Norddeutschen Meisterschaft am 25. und 26. Januar in Prenzlau qualifizieren."