Evangelische Kirche: Die neue Pastorin möchte mehr Menschen ins Gemeindeleben hineinholen

Seit dem 1. Dezember ist Sigrun Kühn (52) als Nachfolgerin von Pastorin Angelika Gogolin im Amt. Auf die gebürtige Westfalin und ausgebildete Familienberaterin warten spannende Aufgaben in einer überdurchschnittlich jungen Gemeinde, die im kommenden Jahr ein Familienzentrum eröffnen wird.

bz/LL:

Die Evangelische Kirche verzeichnet im Bundestrend sehr viele Kirchenaustritte. Was müsste die Kirche leisten, um die Menschen wieder besser zu erreichen?

Sigrun Kühn:

Zu den Zahlen in Schwarzenbek kann ich, weil ich neu bin, nicht so viel sagen. In Bielefeld waren die Austrittszahlen eigentlich eher rückläufig. Ich denke, dass viele Menschen in der Kirche drin sind. Wir müssen uns aber die Frage stellen, wie wir es schaffen, diese Menschen ins Gemeindeleben hineinzubekommen, sie zum Gang in den Gottesdienst oder zu anderen Veranstaltungen zu bewegen. Ich glaube, es hat viel damit zu tun, dass wir auch zu Leuten hingehen und ihnen Angebote machen, die für sie passend sind. Da habe ich das Gefühl, dass dies in Schwarzenbek gut funktioniert.

Müssten sich auch die Menschen ändern?

Vielleicht müssten sie mehr wahrnehmen, was in ihnen an Bedürfnissen und Sehnsüchten steckt und dann darüber nachdenken, ob Kirche ein Ort ist, an dem sie eine Antwort auf ihre Fragen kriegen. Unsere Zeit ist manchmal so hektisch oder es gibt große private Sorgen. Und dann versackt alles andere.

Zu Weihnachten sind die Kirchen zumeist voll wie nie. Inwieweit ist dies ein wenig heuchlerisch?

Das ist für mich überhaupt keine Heuchelei! Ich sehe dahinter ein tiefes Bedürfnis, die Sehnsucht nach einer heilen Welt. Die wenigsten erleben dies zu Hause, aber sie - wir alle - wünschen uns doch, dass das Leben heil und gut wird. Das Weihnachtsfest ist eine Gelegenheit, etwas davon mitzunehmen. Ich finde es gut, wenn die Menschen kommen und genau das spüren.

Welche Ziele wollen Sie als neue Pastorin umsetzen? Gibt es gar eine Botschaft?

Zunächst einmal sind schon sehr viele Dinge hier. Es gibt die Evangelische Familienbildungsstätte, zwei große Kitas. Zudem leben in Schwarzenbek viele junge Menschen. Außerdem ist mir wichtig, in der Kirche ein Zentrum anzubieten - ich meine damit gar nicht in erster Linie ein räumliches, sondern ein inneres Zentrum. Es geht mir darum, deutlich zu machen, dass der christliche Glaube eine tragfähige Basis für das Leben ist.

Inwieweit hilft Ihnen dabei die Ausbildung zur Familienberaterin?

Ich fand die Stelle in Schwarzenbek schon aufgrund ihres Angebots sehr attraktiv. Durch meine Ausbildung habe ich mich viel mit den Schwierigkeiten, vor denen Familien heute stehen, beschäftigt. Auch vorher habe ich als Pastorin Gespräche geführt, aber es ist doch ein Unterschied, ob Menschen nur mal nebenbei ein Gespräch führen wollen oder sich auf einen Beratungs-Prozess einlassen.

Was kennen Sie in Ihrem neuen Wirkungsbereich schon?

Schwarzenbek habe ich mir schon ein bisschen erradelt. Ich fahre gern Fahrrad, das finde ich sehr praktisch hier, das gefällt mir! Ich habe angefangen, erste Kontakte zu knüpfen, bin bei der Polizeidienststelle gewesen, beim Bestatter, bei der Kitaleitung, bei der Familienbildungsstätte. Ich besuche momentan die Menschen, die hier leben und arbeiten.

Was ist anders als in Bielefeld?

Die Änderungen hängen weniger an der Struktur der Stadt, sondern eher an der Unterschiedlichkeit der Gemeinden. Diese Gemeinde hier ist sehr viel jünger. Ich hatte in meinen ersten Wochen noch keine Beerdigung, dafür aber 45 Konfirmanden im ersten, 75 im zweiten Jahr. Das ist klasse, dass die da sind! Hier leben viele junge Familien. Das ist auch in den Gottesdiensten zu spüren. Zudem hat die Schwarzenbeker Kirchengemeinde viele Angestellte. Wir haben 75 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist also ein kleines Unternehmen!

Können Sie kurz skizzieren, wie der Wechsel in diese Gemeinde praktisch ablief? Gab es so etwas wie einen Postentausch?

Das gab es nicht, aber der Stellenwechsel war nicht so ganz einfach. Denn ich habe ja nicht nur die Gemeinde, sondern auch die Landeskirchen gewechselt. Mein Lebensgefährte Frank Rutkowsky lebt in Hamburg und ist dort Polizeiseelsorger. Wir freuen uns sehr, dass die Wege zueinander jetzt kürzer sind!

Ihr Büro im Kirchenzentrum ist gerade am Entstehen. Wie lebt es sich denn auf der Baustelle?

Alle Mitarbeiterinnen aus der Familienbildungsstätte und der Kita müssen derzeit eng zusammenrücken. Ich finde es spannend, sich wöchentlich mit dem Architekten zu besprechen, zu sehen, wie dort etwas wächst - auch welche Schwierigkeiten entstehen. Wir fragen uns ständig, was wir uns leisten können und was nötig und sinnvoll ist.

Nach 22 Jahren in Bielefeld stellt sich noch die Frage, inwieweit sich die Schwarzenbeker auf ein langes Pastoren-Engagement von Ihnen freuen dürfen.

Ich habe immer gesagt, dass ich heute nicht weiß, was in fünf bis zehn Jahren sein wird. Aber ich verstehe diese Stelle nicht als ein Sprungbrett, um mich bald in Hamburg oder woanders zu bewerben. Sondern wenn ich hierher komme, dann komme ich mit ganzem Herzen.