Kinderbetreuung: Zu wenig Plätze, zu wenig Personal - Familien fühlen sich nicht genug unterstützt

Was ist frühkindliche Bildung wert und wer soll sie bezahlen - über dieses Thema stritten einen Tag nach der Fracking-Debatte erneut sechs Bundestagskandidaten im Rathaussaal der Stadt. Auf dem Podium saßen wieder die Bundestagsabgeordneten Norbert Brackmann (CDU) und Konstantin von Notz (Grüne) sowie die Kandidaten Nina Scheer (SPD), Ilka Wentzelies (Linke) und Karsten Kiehn (Piraten). Für Christel Happach-Kasan (FDP) kam die Kreistagsabgeordnete Susanne Itzerott aus Wohltorf, die gleich für Wahlkampfstimmung sorgte, als sie sich für das Betreuungsgeld stark machte.

Ihre Tochter hätte sich diese Möglichkeit gewünscht, sagte Itzerott und fügte an, dass beim Landesamt in Lübeck bereits 400 Anträge bearbeitet würden. Die kostenfreie Kita, wie von Grünen, Linken und SPD gewollt, sei "ein Wunschgedanke", realistisch allenfalls eine Kostenbeteiligung der Eltern von unter 30 Prozent. "Es ist eine Belastung für den Kitaausbau, wenn das Geld für das CSU-Geschenk Betreuungsgeld ausgegeben wird.", entgegnete Konstantin von Nutz. Und wer es ernst meine mit der Wahlfreiheit dürfe keine "murkeligen Angebote" schaffen, damit die Mütter doch zu Hause blieben. "Wir müssen hinter den Eltern stehen und brauchen einheitliche Qualitätsstandards, eine gute Bezahlung der Betreuer und ein gleichmäßiges Angebot im Land." Kitas böten den Kindern das, "was die schrumpfende Familie nicht mehr kann", sagte Nina Scheer. Der Staat müsse für Chancengleichheit sorgen und das Kita-Personal besser bezahlen. "Erzieher ist ein typischer Frauenberuf und typisch unterbezahlt." Das Geld für den Kitaausbau könne durch Einsparung von Subventionen erwirtschaftet werden. Karsten Kiehn forderte weniger Geld für Europa oder die Abwrackprämie und dafür mehr Investitionen in frühkindliche Bildung.

Während Scheer und von Notz den Kommunen beim Kitaausbau finanziell unter die Arme greifen, ihnen aber die Eigenverantwortlichkeit lassen wollen, möchte Haushaltspolitiker Norbert Brackmann die Rolle des Bundes stärken und ist für die Abschaffung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern in der Bildungspolitik. Der Bund als Finanzierer des Kitaausbaus sollte auch die Verantwortung dafür tragen, sagte Brackmann und verwies auf das laufende Investitionsprogramm der Bundesregierung und seinen persönlichen Einsatz für die sprachliche Förderung in Kindertagsstätten. Es gebe im Kreis noch keinen einzigen Klagefall wegen des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung. Er setze weiter auf ein passgenaues Angebot für Mütter, ohne Einmischung in den Lebensstil der Eltern.

Nach einem passgenauen Angebot müssen viele Eltern derzeit lange suchen. Linkskandidatin Ilka Wentzelies fand in Ratzeburg keinen Kitaplatz und musste ihre Erziehungszeit verlängern. Ihr Fazit: "Ich kann entweder meinem Arbeitplatz oder meinem Betreuungsplatz hinterher ziehen." Sie will Eltern dabei helfen, Betreuungsplätze einzuklagen. Für Zuhörer Wilke Witte aus Möhnsen ist eine lange Odyssee zwischen Tagesmüttern und Kitas gerade glücklich zu Ende gegangen: "Für den Kleinen war das aber eine Katastrophe. Jetzt hat er den Krippenplatz, aber nur für ein Jahr. Was ist, wenn er in den Kindergarten kommt?", fragte der junge Vater. Stephanie Ristow, Vorsitzende der Kreiselternvertretung der Kindertagesstätten aus Kasseburg sagte: "Ich wäre eine Kandidatin für eine Klage, wenn ich meinen Tochter nicht jeden Tag 60 Kilometer nach Mecklenburg-Vorpommern zur Tagesmutter fahren würde." Andreas Frädrich, Kita-Leiter in Schwarzenbek, berichtete von den Schwierigkeiten der Eltern, für einen Betreuungsplatz außerhalb der eigenen Kommune den nötigen Kostenausgleich zu bekommen. Familien auf dem Dorf, bekämen in den Städten im Kreis keinen Betreuungsplatz, sagte Annemarie Argubi-Sievers, Geschäftsführerin einer Qualifizierungsgesellschaft. Mehrere Eltern beklagten den Mangel an Personal. Der Personalschlüssel von zwei Erziehern für 20 Kinder werde oft nicht eingehalten, sagte Christine Nasarek aus Schwarzenbek und fragte rhetorisch: "Haben Sie schon einmal alleine auf 20 gleichzeitig Kinder aufgepasst?"