Tillhausen: Junge Politiker führen den “Soli“ ein

300 Kinder und 150 Betreuer verbringen in Tillhausen noch bis Donnerstag schöne Ferientage und gestalten ihre Stadt selbst. Sie stellen in Projekten wie der Kupferschmiede, der Leder- und Kerzenwerkstatt schöne Dinge für den Markt her und bekommen für ihre Arbeit "Till-Taler" von der Bank ausgezahlt. Sie haben ein Arbeitsamt, ein Krankenhaus, ein Einwohnermeldeamt, Stadtreinigung und Fundbüro.

Politik gehört auch dazu. In den ersten Tagen wählten die Tillhausener ihr Stadtparlament. 14 Kinder sind nun Politiker. "Hier erfahren sie, wie es ist, für so viele Leute Verantwortung zu übernehmen, die Interessen der Bewohner zu vertreten und Beschlüsse für die Gemeinschaft zu fassen", sagt Axel Michaelis. Der Streetworker Möllns leitete zusammen mit dem ehemaligen Bürgermeister der Eulenspiegel-Stadt, Wolfgang Engelmann, das Politikprojekt.

Die Kinder, die daran teilnahmen, wechselten nicht wie alle anderen die Projekte zweimal am Tag, sondern blieben durchweg bei der Politik - Berufspolitiker sozusagen. Für Sascha Jühlke (13) aus Schwarzenbek war das genau richtig. "Ich war schon mehrmals beim Stadtspiel dabei, kenne die anderen Projekte schon und jetzt wollte ich mal Stadtvertreter sein", sagte er. Für die Politiker gab es viel zu tun. Sie beschlossen unter anderem, dass die "Tagesschau", die täglich von den Kindern im "Till-TV" gemacht wurde, Pflicht sein soll. Jeden Abend wird sie auf dem Marktplatz gezeigt und erst dann ist Nachtruhe. Die Parlamentarier beschlossen auch strengere Ausweiskontrollen durch das Einwohnermeldeamt. Wer seinen Pass nicht dabei hatte, musste einen Till-Taler Strafe zahlen.

Dann kam Ute Ostendorf, die Projektleiterin des Kreisjugendrings für das Stadtspiel, in eine Sitzung des Stadtparlamentes. "Das Geld reicht nicht. Wir haben als Stadt Ausgaben, die nicht nur durch Einnahmen gedeckt sind", erläuterte sie. Die Kinder, die beispielsweise in der Bank arbeiten, im City-Service und im Stadtparlament produzieren ja nichts, was verkauft werden kann und erhalten trotzdem ihre Till-Taler. So könne das nicht weiter gehen, sagte Ostendorf. Sie schlug vor, dass jeder Tillhausener zwei Till-Taler Steuern am Tag bezahlen soll. Das wäre die Hälfte von dem, was ein Bürger dieser Stadt am Tag verdient. "Viel zu viel", fanden die Stadtverordneten und beschlossen, jeder solle einmalig einen "Solidaritätstaler" zahlen. Heute wird er eingezogen.

Sandra Kauderer, die neue Bürgermeisterin, war überrascht von ihrem Wahlerfolg, denn seit 2007 war kein Mädchen in das höchste Amt gewählt worden. Sie hatte die "Jula Sandra Winner Partei" mit 120 Mitgliedern gegründet und im Einwohnermeldeamt angemeldet. Ihre Anhänger finanzierten das mit jeweils einem Tilltaler, Wahlplakate wurden hergestellt und eine Rede auf dem Marktplatz gehalten. Sie versprach, für alle ein offenes Ohr zu haben und ihr Amt mit "Frauenpower" auszuführen. Außerdem soll es am Dienstag eine Überraschung für alle geben.

Die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen hört am Ende des Stadtspiels nicht auf. Wer Interesse hat, kann im "Kids Orgateam" des Kreisjugendring das nächste Stadtspiel mit vorbereiten oder sich zum Betreuer ausbilden lassen. In Tillhausen besteht ein großer Teil des Betreuerteams aus Jugendlichen, die als Kind schon dabei waren.