Schwarzenbek (rz). Die Erinnerung an die alte Heimat hielten die 65 Mitglieder der Landmannschaft der Ost- und Westpreußen mit Gaumenfreuden wach. In Schröders Hotel trafen sie sich zum traditionellen Wurstessen.

Heiße Rot- und Leberwürste, gekochtes Bauchfleisch mit Mostrich, Sauerkraut, Erbspüree, Speckstippe und Wurstsuppe mit Majoran hatte der Vorsitzende Konrad Thater bestellt.

"Ich war sieben Jahre alt, als wir aus unserem Dorf bei Trakehn weg mussten. Ein Vierteljahr verbrachten wir in Ostpreußen, schliefen im Wald und suchten bei Minus 20 Grad im Winter Schutz in Ställen", erzählte Herbert Hellenbach. Er erinnerte sich an die Ankunft auf dem Schwarzenbeker Bahnhof. Mit Pferdewagen wurden die Vertriebenen nach Möhnsen gebracht. Dort wollte man sie aber nicht haben und schickte sie nach Kasseburg. Schließlich kamen sie doch in der Möhnsener Turnhalle unter. Hellenbachs Vater bekam Arbeit auf einem Bauernhof und später zog die Familie in eine Kate. 54 Jahre später wird Hellenbach mit seinen Töchtern nach Königsberg fliegen und ihnen zeigen, wo die Wurzeln der Familie sind.

Die Schicksale der vielen Flüchtlinge sowie ihren Einfluss auf die Entwicklung Schwarzenbeks fasste Stadtarchivar Dr. William Boehart in seinem Vortrag zusammen. Das Ausmaß der Flüchtlingsbewegung war gewaltig. Und Schleswig-Holstein war das erste Zufluchtsland für die Menschen aus Pommern, Ost- und Westpreußen, sagte Boehart. Die Bevölkerung wuchs hier bis 1950 um 40 Prozent, im Kreis Herzogtum Lauenburg sogar um 50 Prozent. Schwarzenbek erlebte einen gigantischen Zuwachs. Im Jahr 1939 gab es hier 2300 Einwohner und 1950 waren es 6700.

Die Flüchtlinge aus Hamburg, die1943 während der schrecklichen Bombenangriffe flohen, wurden ebenso aufgenommen wie später die Vertriebenen. Die alte Marktschule wurde als Auffanglager eingerichtet. Nur fünf Quadratmeter Wohnraum hatte jeder Einwohner nach dem Krieg.

"Nur am Anfang waren die Flüchtlinge eine Last", sagte Boehart. Die neuen Schwarzenbeker hatten viel Mut zum Neubeginn. Sie engagierten sich im Gemeinderat, arbeiteten in Vereinen, gründeten Landsmannschaften, machten Geschäfte, Handwerksbetriebe und Unternehmen auf. 1945 hatte es 107 Firmen in Schwarzenbek gegeben, 1955 waren es 256 und 20 Jahre später 364.