Geesthacht. Bei der Berufsmesse um Geesthacht werben 70 Firmen um Nachwuchs. Was sich die Aussteller einfallen lassen.

In seiner Hand hält er einen Kolben, der einem Schweißbrenner sehr ähnlich sieht. Finn Saß sitzt an einem Tisch und "schweißt" eine Naht - zumindest wirkt es für ihn so. Denn der 14-Jährige trägt einen Virtual-Reality-Helm. Auf dem Bildschirm vor seinen Augen kann er genau sehen, ob er eine gerade Linie zustande bringt.

Eigentlich drückt der Geesthachter den "Brenner" jedoch nur auf eine kleine Holzhalterung. Und sitzt in der Sporthalle der Alfred-Nobel-Schule. Etwa 1000 Schülerinnen und Schüler sind an diesem Tag dort, das Gedränge ist groß: Rund 70 Unternehmen stellen sich bei der Berufsmesse "Überflieger - Mit Ausblick auf die Zukunft" vor - und geben Einblicke in verschiedene Ausbildungsberufe.

Berufsmesse Geesthacht: Gerade im Handwerk herrscht Fachkräftemangel

Denn gerade in Zeiten von Fachkräftemangel sind Azubis heiß begehrt. Die Feldbinder Spezialfahrzeugwerke GmbH, an deren Stand Finn "schweißt", ist eine der vertretenen Firmen - sie stellt Silo-Tanker her, in denen zum Beispiel Getreide transportiert wird.

Schüler Finn Saß und Ausbilder Robert Lange
Schüler Finn Saß und Ausbilder Robert Lange "schweißen" gemeinsam eine Naht am PC. © Alexander Sulanke

Das virtuelle Schweißen möchte sich hier kaum jemand entgehen lassen - schnell hat sich vor dem Tisch eine Menschentraube gebildet. Finn ist schon überzeugt: "Ich möchte später im Handwerk arbeiten, weil ich gern etwas mit den Händen mache." Eine Aussage, die viele Unternehmen der Branche freuen sollte.

Denn auch bei Feldbinder gibt es nicht genügend Fachkräfte. "Es ist wirklich schwierig geworden, Azubis für den handwerklichen Bereich zu finden", sagt Leonie Gehre (21), die bei der Firma eine Ausbildung zur Industriekauffrau macht. Aber wie geht man dagegen an? Auf Messen gehen und Kooperationen mit Schule schließen, erklärt Ausbilder Robert Lange.

Thomas Kähler und Mario Pengel von EDM bei der Berufsmesse.
Thomas Kähler und Mario Pengel von EDM bei der Berufsmesse. © Alexandra Schrader

Unternehmen versuchen in der Region bekannter zu werden

Das bestätigen auch Mario Pengel und Thomas Kähler. Sie arbeiten bei der Firma Elektromontage Nord. "Ich habe schon als Kind viel mit Lego gespielt, da wusste ich, dass ich gern ins Handwerk gehen möchte", so Pengel. Nachwuchs zu finden sei für den Betrieb mit knapp 50 Personen jedoch schwierig. "Wir versuchen, in der Region bekannter zu werden und so an junge Menschen zu kommen." Elektroniker für Betriebstechnik oder Industriemechaniker - beides seien gute Ausbildungen in ihrem Unternehmen.

Neben handwerklichen Betrieben präsentieren auf der Messe auch Einrichtungen des öffentlichen Dienstes, Einzelhändler und medizinische Einrichtungen ihre Arbeit. Unsere Redaktion ist auch dabei.

Volontärin Alexandra Schrader betreut mit Kollegen den Stand auf der Berufsmesse in Geesthacht.
Volontärin Alexandra Schrader betreut mit Kollegen den Stand auf der Berufsmesse in Geesthacht. © Alexander Sulanke

Berufsmesse war eigentlich für Februar angesetzt

"Das hier ist eine tolle Möglichkeit, um Fragen direkt an Menschen aus einer bestimmten Branche zu stellen", sagt Geesthachts Bürgervorsteher Samuel Walter Bauer (SPD).

Häufig bringe Schülerinnen und Schüler ein solches Angebot viel weiter als eine allgemeine Berufsberatung. Welchen Schulabschluss die Jugendlichen ins Augegefasst haben, spielt hier keine große Rolle. Wer den Allgemeinbildenden Schulabschluss, die mittlere Reife oder Abitur machen will, kann sich nach beruflichen Perspektiven umsehen.

Alexander Kudin, Lehrer und Messeleiter, weiß, dass Berufsmessen hilfreich sind. "Die absolute Mehrheit der Schülerschaft weiß nicht, was sie beruflich machen möchte", sagt er. Und auch, wie die Arbeitswelt funktioniert, sei vielen nicht klar. Umso wichtiger sei es, mit Menschen aus verschiedenen Branchen ins Gespräch zu kommen.

Besonders die Bundewehr ist bei jungen Menschen beliebt

Polizei, Zoll und Bundeswehr - das seien Einrichtungen, die an diesem Donnerstag die meisten jungen Menschen interessieren. "Für einen Vortrag der Bundeswehr haben sich fast 100 Leute angemeldet", so Kudin. Gerade Neunt- und Elftklässler suchen derzeit nach Praktikumsplätzen fürs kommende Jahr.

Damit sowohl Firmen als auch junge Berufseinsteiger auf ihre Kosten kommen, hat die Wirtschaftliche Vereinigung Geesthacht (WVG) sich etwas überlegt: Wer auf ihrer Website einen Link anklickt, wird direkt zu einem Mini-Fragebogen weitergeleitet. Nur Jobinteressen und wenige Date werden abgefragt, dann wird der Kontakt zu einem passenden Unternehmen der Vereinigung vermittelt. "Das ist ganz einfach", sagt Jürgen Wirobski von der WVG.

Noch innovativer macht es das Geesthachter Unternehmen CTS, das sogenannte Faserverbundwerkstoffe herstellt. Auch auf seiner Internseite besuchen Job- oder Ausbildungssuchende nur wenige Fragen zu beantworten. "Dann werden sie innerhalb von zwei Tagen angerufen und im besten Fall direkt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen", sagt CTS-Gründer Joachim Wilczek. Lebenslauf oder Anschreiben seien gar nicht mehr gefragt. "Das ist die Zukunft", sagt er.

Bewerbungen laufen oft nur noch digital

Das Unternehmen folgt damit ganz den Veränderungen in der Arbeitswelt. Denn gerade die Bewerbungsprozesse würden immer kürzer und seien oft schon digital, betont Sabine Winter von der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. "Der Markt wandelt sich, und da muss man mitgehen." Anstatt eine Bewerbung postalisch zu schicken, sei es mittlerweile üblich, den Lebenslauf als PDF auf eine Website hochzuladen.

Ursprünglich war die Messe, die die Alfred-Nobel-Schule im Kooperation mit dem Otto-Hahn-Gymnasium organisiert hat, schon für Februar geplant. Wegen der Pandemie war sie jedoch verlegt worden.