Geesthacht

Ungewöhnliche Musikinstrumente beleben die Fußgängerzone

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Dirk Palapies und Jan Schubert
„Was bitte ist denn das?“ Viele Passanten in der Fußgängerzone wollten von Monika Mayne wissen, was für ein Instrument sie da spielt. Antwort: ein Ziehlofon.

„Was bitte ist denn das?“ Viele Passanten in der Fußgängerzone wollten von Monika Mayne wissen, was für ein Instrument sie da spielt. Antwort: ein Ziehlofon.

Foto: Dirk Palapies

„Was ist denn das?“ wollten viele Passanten wissen, als sie vor dem grünen Gestell standen. Die Erklärung war überraschend.

Geesthacht. So etwas hat man in der Geesthachter Fußgängerzone noch nicht gesehen. Ein grünes Gestell steht vor der Targo-Bank, obendrauf sind in zwei Reihen Metallplättchen wie auf einem Xylofon montiert, darunter hängen Kordeln mit bunten Kugeln. Viele Passanten bleiben neugierig stehen. „Es ist ein Ziehlofon“, klärt eine Frau, die einen Wollpulli über einem Blumenkleid trägt, auf. Sie heißt Monika Mayne, zieht an den Kugeln und singt dazu. Alte Volkslieder zum Beispiel, „die fast niemand mehr kennt“, sagt die 65-Jährige. „Zum Tanze da geht ein Mädel mit güldenem Band“, so etwas. „Unsere Scheune ist voll mit alten Liederbüchern“, sagt sie.

Monika Mayne erklärt Passanten gern ihr Instrument

Monika Mayne erklärt gern geduldig, wie das seltsame Instrument funktioniert. Auch, dass sich die Bänder der Kugeln beim Ziehen, das mehr ein Zupfen ist, verheddern können. Verbesserungsvorschläge wie den, doch lieber mit Stäben zu arbeiten, lehnt sie ab. Sie mag das Perfekte nicht, „das ist langweilig“, findet Monika Mayne. So sei es viel lustiger. „Das Traurige kommt doch von ganz alleine“, sagt sie.

Ihr Mann Dennis macht ein paar Meter weiter westlich in der Fußgängerzone vor dem Curry-Pavillon Musik, spielt Melodien wie das Titellied aus „Der dritte Mann“ mit Orson Wells. Auch sein Instrument ist ungewöhnlich. Es ist ein Klavier, irgendwie schon. Aber mit seinen vier Oktaven halb so breit. Außerdem steht jeweils nur eine Saite für die Tonerzeugung zur Verfügung, normalerweise sind es bis zu drei. „So klingt es eher wie ein Harpsichord“, findet seine Frau. Klavini nennt Dennis Mayne seinen Eigenbau aus einem alten Klavier des Hamburger Herstellers F.L. Neumann.

Der ehemalige Hubschraubermechaniker hat sich auch das Ziehlofon ausgedacht. Früher hat er auf einem „richtigen“, großen Klavier gespielt, und Monika hat obendrauf auf einem Plateau Stepp getanzt. Als Duo „Bestimmt Verstimmt“ waren die beiden Kleinkünstler 33 Jahre lang in ganz Europa auf Tour, als „Straßenrandorchester“. Das geht nach Monika Maynes Knieoperation in der Zeit der Corona-Pause nun nicht mehr, also musste ein neues Instrument her.

Das Ziehlofon ist als Sammelsurium aus Schrottplatzteilen, Fundstücken und echtem Musikzubehör zusammengebaut. Die bunten Kugeln kennzeichnen die Töne, Rot zum Beispiel steht für das C und für Cis. Zum Schieben ist rechts ein Handgriff montiert. „Der stammt von unserem Trabi“, erklärt Monika Mayne. Ein Mercedes hat ihn über den Haufen gefahren, zumindest der Griff hat das Aufeinandertreffen überlebt.

Ihr Ziel: Alle Fußgängerzonen in Deutschland besuchen

Die beiden Kleinkünstler gastierten am Freitag in der Geesthachter Fußgängerzone, weil sie sich vorgenommen haben, „alle Fußgängerzonen in Deutschland zu besuchen“, erzählt Monika Mayne. Je nach Wetterlage wollen sie erneut am Sonnabend und Montag in der Bummelmeile an wechselnden Standorten ihr ungewöhnliches Instrumentarium aufbauen.

Die ungemütlicher werdende Witterung an sich hält die beiden noch nicht vom Auftritt ab: „Wir können bis sechs Grad Außentemperatur spielen, dadrunter wird es auch fürs Publikum zu kalt“, meint Dennis Mayne.

Danach geht es weiter. Wohin, ist noch nicht klar. Unterwegs sind sie mit einem alten Magirus Deutz, Baujahr 1959, der ihr eigentliches Zuhause zieht, einen Zirkuswagen. Nächste Station hätte Winsen sein sollen, aber das Gespann ist zu schwer für die Elbbrücke, die ist gesperrt für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen. In Bergedorf waren sie vor Kurzem schon, also wird es wohl nach Ahrensburg gehen.

Dennis Mayne ist ein waschechter Windsor

Monika Mayne stammt aus Ulm, Dennis ist ein waschechter Windsor. Mit der englischen Königsfamilie hat er aber nichts zu tun, so heißt der gleichnamige Ort in Ontario in Kanada, wo er geboren ist. Mit 19 Jahren kam der heute 65-Jährige nach Europa, zusammen mit seiner Frau Monika lebt er in der Nähe von Ludwigslust.

Im nächsten Jahr könnte es ein Wiedersehen mit Geesthacht geben. Bei Nabu-Mitgliedern, die in der Fußgängerzone auf die beiden aufmerksam wurden, kam die Musik so gut an, dass überlegt wird, das Paar für die Nachtigallennacht im Frühling zu engagieren.

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