Geesthacht. Cadmium, Arsen, Quecksilber – in alten Sedimentsschichten haben sich Schwermetalle abgesetzt. Umweltbeirat will Aufklärung.

Geesthacht. Als eine Spaziergängerin vor ein paar Wochen am Geesthachter Pumpspeicherwerk entlang wanderte, bemerkte sie etwas, was ihr nicht gefiel: freiliegendes Sediment statt einer geschlossenen Wasserfläche. Der Geesthachter Umweltbeirat erfuhr davon – und stellt nun einen Antrag für den nächsten Umweltausschuss am Montag, 22. August (18 Uhr, Ratssaal). Er befindet sich als Tagesordungspunkt 13 auf der Themenliste des Abends, „Antrag Probenentnahme Pumpspeicherbecken“.

„Pumpspeicherwerk Geesthacht ist eine Gefahrstoffdeponie“

Der Anlass für dieses Vorgehen sind Sorgen, dass zusammen mit dem Wasser aus dem Becken auch zahlreiche Giftstoffe aus den Sedimenten zurück in die Elbe fließen könnten, wenn das Werk in Betrieb ist. „Nach Ende der Ablaufphase sind Ablaufrinnen beziehungsweise Priele im Sediment zu erwarten.

Es muss daher geklärt werden, ob und gegebenenfalls welche Schadstoffe gegen Ende der Ablaufphase in die Elbe eingetragen werden“, erläutert Günter Luther. Im Prinzip handele es sich beim Pumpspeicherwerk um eine Gefahrstoffdeponie, urteilt der Umweltbeirat.

Die Elbe galt als einer der schmutzigsten Flüsse Europas

Dass im Becken Giftstoffe lagern, ist seit Längerem bekannt. Das Pumpspeicherwerk wurde 1958 gebaut. Betreiber waren zunächst die Hamburgischen Electricitäts-Werke, heute gehört es dem Energiekonzern Vattenfall. Bis zum Mauerfall 1989 flossen über Jahrzehnte viele Gefahrenstoffe vor allem aus den am Fluss angesiedelten Industrien der DDR und Tschechien in der Elbe mit, sie galt als einer der schmutzigsten Flüsse Europas.

Diese Gifte wurden zusammen mit Flusswasser und Schwebstoffen von Sedimenten in Geesthacht in das Becken gepumpt und setzten sich über die Jahre dort ab. Einen Filter gibt es nicht. Die Sedimentschicht im Becken ist mittlerweile auf bis zu gut drei Meter Höhe angewachsen. 2016 befanden sich 640.000 m3 Sediment im Becken, 250.000 m3 davon im Arbeitsbereich.

Jüngere Sedimente dienen als Deckel für alte Ablagerungen

Erst in der Zeit nach der Wende wurde das Elbwasser deutlich sauberer, weil Industrieanlagen am Flusslauf stillgelegt wurden und auch die Reinigung von in die Elbe fließendem Abwasser besser wurde. Diese Sedimente setzten sich im Becken in den Folgejahren oben auf dem alten, hochgradig belasteten Sediment ab und versiegeln es wie ein Deckel.

Der Umweltbeirat mit Günter Luther sorgt sich, dass Beckenwasser Kontakt zum Gift bekommt. 
Der Umweltbeirat mit Günter Luther sorgt sich, dass Beckenwasser Kontakt zum Gift bekommt.  © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Dass diese jüngeren Schichten hin und wieder mal freiliegen und der Wind Stäube abträgt, sieht Günter Luther auch nicht als Problem. „Dann könnte man ja jede Flussdüne dichtmachen“, meint er. Seine Sorge ist, dass der „Deckel“ durch ein zeitweises Trockenliegen undicht werden könnte, dass sich dann in der obersten Schicht Trockenrisse wie eine Art tiefe Fjorde bilden, durch die das Wasser Kontakt zu den alten, gefährlichen Schichten bekommen könnte und so, wenn es zur Stromerzeugung zu den Turbinen und weiter in die Elbe fließt, den Fluss vergiftet.

Antrag soll Bewegung in die Sache bringen

Die Stoffe in den alten Ablagerungen haben es in sich. 2015 wurden in einer Sedimenttiefe von 2,80 Meter neben vielen weiteren Substanzen gemessen: Arsen 191 mg/kg, Cadmium 5 mg/kg und Quecksilber 23,6 mg/kg, jeweils Trockensubstanz. Die erlaubten Werte für diese hochproblematischen Schwermetalle liegen laut Berliner Liste für Arsen bei 5 mg, für Cadmium bei 1 mg und für Quecksilber bei 0,25 mg.

Der Umweltbeirat will mit seinem Antrag erreichen, „dass Bewegung in die Sache kommt“, so Luther. Die Verwaltung wird aufgefordert, sich mit den zuständigen Genehmigungsbehörden in Verbindung zu setzen „und dafür zu sorgen, dass gegen Ende von Ablaufphasen Proben für entsprechende Analysen genommen werden“.

Das Geesthachter Werk ist das größte in Norddeutschland

Bei Vattenfall möchte man zunächst den entsprechenden Ausschuss abwarten, eine Stellungnahme zum Antrag vorab wollte das Unternehmen nicht abgeben. Mittlerweile wurde aus Kreisen von Geesthachter Umweltschützern angeregt, auch Vertreter von Vattenfall zu einem Umweltausschuss zum Thema einzuladen.

Das Geesthachter Pumpspeicherwerk ist mit einer Leistung von 120 Megawatt das Größte seiner Art in Norddeutschland. Das größte deutsche Pumpspeicherbecken in Goldisthal in Thüringen hat eine Leistung von 1060 Megawatt. Es ist ebenfalls im Bestand von Vattenfall.

Pumpspeicherwerke erzeugen Strom in Spitzenzeiten

Pumpspeicherwerke erzeugen Strom zur Unterstützung der Netzstabilität, wenn zu Spitzenzeiten sehr schnell sehr viel elektrische Energie benötigt wird. In Geesthacht wird in verbrauchsarmen – und Strompreis günstigen – Zeiten Flusswasser durch drei 612 Meter lange und im Durchmesser 3,80 Meter dicke Röhren auf den Geesthang gepumpt, es überwindet dabei einen Höhenunterschied von 80 Metern. Bei Bedarf wird das Wasser aus dem 3,8 Millionen Kubikmeter fassenden Speicherbecken abgelassen.

Es gelangt ins Maschinenhaus, treibt Turbinen und die letztendlich Generatoren zur Stromerzeugung an. Das Arbeitswasser ist bei komplettem Ablauf ausreichend für viereinhalb Stunden Turbinenvolllast – für die Wiederauffüllung müssten alle drei Maschinensätze etwa neun Stunden pumpen. Zwischen 75 und 85 Prozent der dafür eingesetzten elektrischen Energie werden bei solchen Anlagen zurückgewonnen.