Wentorf/Börnsen. Die Grenze verläuft einmal quer durch die Badezimmerabteilung und ziemlich genau durch die Sitzecke „Mammut“ hindurch. Joachim Marks, Geschäftsführer des Möbelhaus Schulenburg in Wentorf, hat darauf Platz genommen und sitzt mit seiner linken Pobacke in Wentorf, mit der rechten in Börnsen. Diesen Grenzverlauf gab es schon, als die Familie Marks den Betrieb 1979 unter dem Namen Möbelpark Sachsenwald gegründet hatte. Doch heute ist dies in der Form nicht mehr rechtens – so hat die Landes- und Regionalplanung in Kiel festgestellt.
Daraus entstanden ist ein irrwitziger Streit um Paragrafen und Prinzipien, den es in dieser Form wohl nur in Deutschland gibt. Beteiligte Parteien sind die Gemeinden Wentorf und Börnsen, der Kreis Herzogtum Lauenburg und das Land Schleswig-Holstein. Im wahrsten Sinne des Wortes mittendrin hängt das Möbelhaus Schulenburg.
Schulenburg Wentorf liegt auch auf Börnsener Gebiet
„Wir haben für alles eine Genehmigung bekommen“, weist Joachim Marks jegliche Mitverantwortung von sich. Und erhält Unterstützung von Wentorfs Bürgermeister Dirk Petersen. „Der Möbelpark Sachsenwald und seine Nachfolger (die Tessner Gruppe; Anm. d. Red.) können alle Unterlagen vorlegen. Der Fehler ist auf Behördenseite passiert“, betont Petersen.
Darum geht es: Während Zufahrt und Parkplätze komplett auf Wentorfer Gebiet liegen, gehören vier Fünftel des Gebäudes zu Börnsen. Als das Möbelhaus vor gut 20 Jahren sein Lager nach Schwarzenbek ausgliederte, auch um die Verkaufsfläche zu vergrößern, passierte dies ausschließlich auf Börnsener Gelände. Und das ist die Krux.
Vorherige Erweiterung hatte der Kreis genehmigt
„Unser Ort hat seitdem mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. So viel dürfen wir mit unseren rund 4800 Einwohnern aber nicht haben, weil unser Dorf keine sogenannte zentralörtliche Funktion hat“, erläutert Börnsens Bürgermeister Klaus Tormählen.
Aufgefallen ist dies der Landesbehörde erst, als der neue Besitzer im Zuge einer erneuten Erweiterung 2017 die Bebauungspläne aktualisieren lassen wollte. Wohlgemerkt: Die vorherige Erweiterung hatte der Kreis Herzogtum Lauenburg genehmigt.
Mögliche Alternative ist ein Gebietstausch
Dennoch wurden Klaus Tormählen und Dirk Petersen – beide Bürgermeister waren erst gerade frisch ins Amt gewählt – zum Rapport nach Kiel bestellt. „Die Fehlerfrage konnten wir nicht mehr diskutieren“, betont Wentorfs Bürgermeister Petersen. Sehr wohl aber sollen sie zeitnah das Problem lösen, von dem niemand vorher ahnte. „Ein bisschen irrsinnig ist das schon.“
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder gründen Wentorf und Börnsen einen Planungsverband, der alle Angelegenheiten für das Schulenburg-Grundstück regelt. Davon hätten beide Orten aber keinen Nutzen, sondern nur jährliche Kosten. Alternativ ist ein Gebietstausch möglich, zu dem sich Börnsen noch nicht durchringen kann. Für die finanziell lukrative Börnsener Fläche gäbe es im Gegenzug „nur“ ein Areal auf der Wentorfer Lohe.
Zeit für eine Einigung zwischen Börnsen und Wentorf drängt
Die Zeit für eine Einigung zwischen Börnsen und Wentorf in der Causa „Möbelhaus Schulenburg“ drängt. „Im Oktober muss eine Entscheidung fallen. Sonst kann die Kommunalaufsicht das Thema nicht mehr rechtzeitig bis zum Stichtag im Mai 2021 bewerkstelligen“, fürchtet Wentorfs Bürgermeister Dirk Petersen.
Doch ein Planungsverband beider Gemeinden, der sich ausschließlich mit dem bereits bebauten Schulenburg-Gelände befassen würde, ist weder im Börnsener noch im Wentorfer Interesse. Darüber sind sich die Politiker beider Orte einig. „Ein Planungsverband würde ehrenamtliche Kräfte bündeln, die jährliche Versammlungen abhalten müssten, aber gar nichts zu tun hätten. Für ihren Aufwand müssten sie dennoch entschädigt werden“, sagt Börnsens Bürgermeister Klaus Tormählen von den Grünen.
Wentorfer wollen dreimal so große Fläche abgeben
Die Wentorfer Gemeindevertreter haben sich darum bereits verständigt: Sie möchten ihren Nachbarn einen Grundstückstausch anbieten. Für die Abtretung von Börnsens Anteil am Möbelhaus Schulenburg wollen sie eine rund dreimal so große Fläche abgeben. Allerdings verspricht diese wegen ihrer Lage im Naturschutzgebiet Wentorfer Lohe keine Einnahmen. Als Kompensation ist Wentorf bereit, die Börnsener Grundsteuer-Verluste über zehn Jahre – mehr ist rechtlich nicht zugelassen – auszugleichen. Und das sogar als Einmalzahlung.
Das Land hatte den Parteien diese Umgemeindung nahegelegt. „Doch das ist für uns kein guter Deal“, findet Börnsens Vize-Bürgermeister Felix Budweit (SPD). Er setzt auf eine Ausnahmegenehmigung vom Land: Börnsen möchte die Planungshoheit für das Schulenburg-Grundstück an Wentorf abtreten – ohne auf das Areal und Einnahmen zu verzichten: „Das wäre für uns die beste Wahl.“ Börnsen dürfe unter einer Neureglung nicht leiden, denn nicht die Gemeinde sondern der Kreis Herzogtum Lauenburg habe Fehler gemacht. „Ein bisschen geht es auch ums Prinzip.“
Nächste Runde der Verwaltungsposse am 21. Oktober
Doch Kiel will da nicht mitspielen. Nur wenn die Gemeinde personell nicht dazu imstande wäre, eine Planung zu leisten, würde eine Ausnahme gemacht. Doch Börnsen könne planen – und hat somit wieder den Schwarzen Peter. Das streicht Wentorfs Bürgermeister Dirk Petersen heraus: „Wenn Börnsen nicht annimmt, was Wentorf anbietet, wird es auf einen Planungsverband hinauslaufen – und der ist im Interesse von niemandem.“
Die nächste Runde der Verwaltungsposse steigt am 21. Oktober. Dann befasst sich die Börnsener Gemeindevertretung erneut mit der Angelegenheit. Klaus Tormählen ist sich sicher, dass dann eine Entscheidung fallen wird.
Die ist ganz im Sinne von Joachim Marks, Schulenburg-Geschäftsführer in Wentorf. „Wir wollen nur Rechtssicherheit haben.“ Bis es soweit ist, wird er täglich mehrmals die Gemeindegrenzen passieren, allein nur wenn er durch das Möbelhaus läuft.
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