Von Kim Nadine Müller

Geesthacht.
Die Flussneunaugen sind Spitzenreiter - oder besser Spitzenschwimmer. 450 000 Stück sind bereits über die Fischaufstiegsanlagen nördlich und südlich des Stauwehrs die Elbe hinaufgestiegen und weiter Richtung Mündung geschwommen. Damit nutzen Flussneunaugen die Aufstiegsanlage am häufigsten. Dicht gefolgt von Stichlingen und den karpfenartigen Güstern. "Das ist spannend, da die Flussneunaugen mal als fast ausgestorben galten", sagt Gudrun Bode, Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei Vattenfall. Weil sich die Wasserqualität der Elbe allerdings verbessert habe, hätten sich die Bestände erholt.

Heute vor genau fünf Jahren hat der Energiekonzern die Fischaufstiegsanlage am Nordufer der Elbe eingeweiht. Fischbiologen und Wasserbauingenieure hatten den imposanten Bau 14 Monate lang geplant. Das Unterfangen hat insgesamt 20 Millionen Euro gekostet, finanziert von Vattenfall als Ausgleichsmaßnahme für den Bau des Kohlekraftwerks in Moorburg. "Dass wir die Anlage betreiben, ist für viele Leute immer wieder überraschend", sagt Barbara Meyer-Bukow, Pressesprecherin von Vattenfall Hamburg und Schleswig-Holstein. "Für uns ist sie etwas Positives. Etwas, das man im ersten Moment nicht unbedingt mit einem Energiekonzern verbindet." Doch Energiegewinnung und Umweltschutz gehören zusammen.

Mit einer Gesamtlänge von 550 Metern ist Geesthachts "Fischtreppe" die größte Europas und - so belegt es ein durchgehendes Monitoring - auch die erfolgreichste. "Das Besondere an dieser Anlage ist, dass sie für alle Fischarten geeignet ist", erläutert Gudrun Bode. Sowohl der bis zu 20 Zentimeter kleine Stichling als auch der um die drei Meter lange Stör findet seinen Weg durch die 49 Einzelbecken. "Die Anlage hat eine ganz flache Neigung, pro Meter nur einen Zentimeter Höhenunterschied", erklärt Bode. Kleine Fische finden zudem in jedem der Aufstiegsbecken Ruhezonen, Bereiche ohne Strömung, wo sie während des Aufstiegs verschnaufen können. Große Fische wiederum haben in den 16 Meter breiten und 1,75 Meter tiefen Becken genug Platz.

Etwa zwei Millionen Fische haben in den vergangenen Jahren den Weg über die Aufstiegsanlage elbaufwärts gefunden. Darunter auch 1300 Lachse, seltener Meerneunaugen, Schnäpel, Zährten oder Äschen. Und zweimal lag sogar ein Seehund im Fangkorb. "Die haben die Kollegen dann zur Auffangstation in Friedrichskoog gebracht", so Bode.

Zwei Tierarten bekommen in der Anlage seit kurzem sogar eine Extrawurst: Die Wollhandkrabbe und der Glasaal. Für Letztere haben die Wissenschaftler vor Ort eine Art Miniaufstieg gebaut, um die Tiere zu zählen, denn: Sie flutschen durch die Ritzen des Fangkorbs, können deshalb beim normalen Monitoring nicht erfasst werden. Die Wollhandkrabbe überwindet den Aufstieg am Boden. Der Saum der Anlage ist extra mit runden Flusskieseln bedeckt, was auch den Fischen, die sich eng am Boden bewegen, den Aufstieg erleichtert. "Die Krabbe kraxelt überall hoch, landet deshalb nicht unbedingt im Fangkorb", sagt Bode. Für sie gibt es jetzt einen Schleichweg. Zwei mit einem Drahtgeflecht ausgefüllte Rohre ermöglichen den Krabben den Ausstieg.

Mindestens einmal - an manchen Tagen auch bis zu vier Mal - wird der Fangkorb von den Biologen vor Ort geleert. "Das richtet sich nach den Wanderzeiten der Fische", sagt Bode. So tummeln sich im März und April auch mal 27 000 Stichlinge gemeinsam auf engstem Raum. Der Erfolg der Anlage freut Wissenschaftler und Energiekonzern gleichermaßen: Obwohl der Eingang mit nur fünf Metern breite eigentlich ein Nadelöhr ist, finden die Fische ihn gut, denn die Leitströmung vor dem Wehr führt sie direkt dorthin. Noch mindestens ein Jahr ist Vattenfall verpflichtet, die Fische, die die Anlage nutzen, zu zählen. Die Ergebnisse werden der Hamburger Umweltbehörde zur Verfügung gestellt. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Solange allerdings können sich die Wissenschaftler auch immer wieder über Kuriositäten freuen - zum Beispiel über "Hugo". "So wurde ein Karpfen getauft, der schon mehrfach die Aufstiegsanlage passiert hat", erzählt Gudrun Bode. Karpfen seien recht zutraulich und individuell im Aussehen - so fällt "Hugo" immer gleich auf.