Geesthacht
(cbx).
Vergangenen Mittwoch kam "Marie" auf die Welt - 2950 Gramm schwer, 50 Zentimeter groß. Mutter "Jessica" und ihre Tochter sind beide wohlauf. "Marie" und "Jessica" sind Pseudonyme, die richtigen Namen kennt nur Sabine Unrau. "Das war meine erste vertrauliche Geburt", so die Leiterin der Geesthachter Pro-Familia-Beratungsstelle.

Seit dem 1. Mai 2014 gibt es das Gesetz für eine vertrauliche Geburt deutschlandweit. Damit soll verhindert werden, dass Mütter ihre Kinder heimlich gebären und danach aussetzen oder sogar töten. Doch noch wird das Angebot einer anonymen medizinischen Betreuung eher zögerlich angenommen. "In Hamburg gab es seitdem nur fünf solcher Geburten", so Unrau. Dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben liegen 100 Herkunftsnachweise von vertraulichen Geburten aus ganz Deutschland vor.

Vor etwas mehr als sechs Monaten wurde die Diplom-Psychologin Unrau von der Frauenärztin von "Jessica" kontaktiert. Die junge Frau, etwas älter als 20 Jahre, aus dem südlichen Kreisgebiet war in der 20. Schwangerschaftswoche. Eine Abtreibung kam aus juristischen Gründen nicht mehr infrage, allerdings durften die Eltern von "Jessica" - sie wohnt noch im Elternhaus - nichts davon erfahren.

"Auch wenn ,Jessica' selbst schon berufstätig ist, ist ihre emotionale Bindung so stark, dass sie ihre Eltern nicht enttäuschen möchte", so Unrau. Hinzu kämen oft Scham sowie kulturelle oder religiöse Gründe, warum sich vor allem junge Frauen für eine vertrauliche Geburt entscheiden.

Unrau begleitete die werdende Mutter durch ihre Schwangerschaft, kümmerte sich darum, dass sie Vorsorgetermine wahrnahm, verhandelte mit dem Jugendamt über die Adoption. Außerdem füllte sie den Herkunftsnachweis aus. Darin wird der vollständige Name der Mutter festgehalten. Anschließend wird dieser in einem Umschlag versiegelt. Vorn drauf kommt das Pseudonym der Mutter. Mehr Informationen bekommen weder das Familienministerium, wo der Umschlag mindestens 16 Jahre ungeöffnet verwahrt wird, noch die Geburtsklinik oder die Hebamme. "Nach Ablauf dieser Frist kann das Kind die persönlichen Daten seiner Mutter einsehen", sagt die Geesthachter Pro-Familia-Leiterin.

Kurz vor der Geburt kontaktierte Unrau auch die Geburtsklinik, holte die werdende Mutter heimlich von zu Hause ab und brachte sie vier Tage nach der Niederkunft wieder zurück. "Warum die Eltern nichts bemerkt haben? Weite Kleidung und die Tatsache, dass es nicht gibt, was nicht sein kann", vermutet Unrau. Und die Väter? Unrau: "Dazu steht im Gesetz offiziell nur ein Satz. Die Rechte des Vaters sind nicht betroffen."