Von Jan H. Schubert

Geesthacht.
St. Pauli lässt sich nicht so leicht abstreifen. Wie auch? Immerhin war der Kult-Klub vom Kiez lange ein sehr großer Bestandteil im Leben von Stefan Orth. Davon zeugen kleine Insignien: An der Wand seines Geesthachter Büros hängen zwei Bilder der Braun-Weißen. Im Verkaufsraum seines Betriebs laden zwei Wartesessel mit Pauli-Logo zum Verweilen ein.

Sechs Stunden eigene Firma, sechs Stunden ehrenamtliche Präsidiumsarbeit bei einem Profi-Fußballverein - so sahen acht Jahre lang die Arbeitstage von Stefan Orth aus. "Trotzdem ist mir meine Frau nicht weggelaufen", sagt Orth lachend. Der 48-Jährige leitet seit 25 Jahren die Firma "Ute Orth", ein Betrieb für Arbeitsschutz- und Berufskleidung an der Hermsdorfer Straße, bietet auch Emblemservice, Veredelungen oder Hygieneartikel an.

Der gebürtige Bergedorfer führt die Geschäfte im Düneberger Gewerbegebiet seit 1990. Seine Eltern forcierten damals die Firmengründung in der Elbestadt, Mutter Ute fungiert weiter als Namensgeberin. Ihr Sohn bekennt sich klar: "Geesthacht ist ein Knotenpunkt. Ich bin sehr zufrieden mit dem Standort."

Und dann gab es ab 2006 noch diesen anderen Job: Orth fungierte zunächst vier Jahre lang als Vizepräsident von Corny Littmann, dann ab 2010 als Präsident des FC St. Pauli. Seit November 2014 ist dies aber nicht mehr der Fall. Wer es mit den Millerntor-Mannen hält, der attestierte Orth eher eine unspektakuläre, fast gesichtslose Präsidentschaft. Ein ungerechtes Urteil, findet der 48-Jährige, der auf einige Erfolge verweist, die er und sein Vorstandsteam - Jens Duve (Sport), Tjark Woydt (Finanzen), Bernd-Georg Spiess (Personal) und Gernot Stenger (Rechtsfragen) - von der Finanzierung bis zur Umsetzung abschlossen: Umbau des Stadions (für 62 Millionen Euro) und Neubau des Trainingszentrums, Rückholung der Merchandisingrechte, in der Amtszeit ein wirtschaftlicher Gewinn von 13 Millionen Euro. "Auf den Punkt gebracht: Der Verein ist saniert", sagt Orth. Wichtig ist ihm aus heutiger Retrospektive noch seine vierköpfige Crew: "Ich hatte große Verantwortung, aber auch Experten für jeden Bereich. Nur so geht es auch." Denn der Druck, über mehrere Millionen Euro in einem Lizenzspieler-Gebilde zu entscheiden, sei enorm gewesen.

Zu seinem eher unfreiwilligen Rückzug und Nachfolger Oke Göttlich sagt Orth, der sich lieber als Gestalter denn als Kontrolleur sieht, heute: "Es wurde der Wunsch geäußert, dass jetzt jemand an die Macht kommt, der die kreative Fankultur symbolisiert." Die im Sommer 2014 beginnenden Unruhen hätten es aus seiner Sicht schon damals ahnen lassen, dass es für die Paulianer eine Zittersaison werden würde. Es wurde letztlich Rang 15. "Ich bin heilfroh", sagt Orth, "dass wir nicht abgestiegen sind." Dass auch Stadtrivale HSV erstklassig blieb, findet Orth ebenso wichtig. "Wir brauchen erstklassigen Sport in Hamburg, gerade auch im Hinblick auf die Olympiabewerbung."

Genau in diesem Segment liegt die neue Doppelbelastung des Stefan Orth. Denn die Hansestadt setzt bei Olympia 2024 auf ihn, Orth ist in infrastrukturelle Projekte für die Bewerbung involviert. Zudem berät er die Bergedorfer Politik bei der Stadtentwicklung. Auch St. Pauli gehört weiter dazu. Der Ex-Präsident wird immer noch regelmäßig um Rat gefragt.