Von Kai Gerullis

Geesthacht.
Als Thomas Specht 1977 seinen Dienst bei der Polizei antrat, stand noch eine schwere Olympia-Schreibmaschine auf dem Schreibtisch. Hinten im Hof parkte ein VW Käfer mit Blaulicht auf dem Dach. Und wer sich bei Einsätzen mit einer schusssicheren Weste schützen wollte, musste diese selbst bezahlen - obwohl Deutschland damals vom Terror der RAF überzogen wurde. "Es war eine andere Zeit. Viel hat sich seitdem getan", sagt Specht. Nach 40 Jahren im öffentlichen Dienst verabschiedete sich der Geesthachter Polizeichef gestern in den Ruhestand.

"Es war schon ein komisches Gefühl. Als ich vorhin das Licht in meinem Büro ausgeknipst habe, wusste ich, dass ich hier wahrscheinlich nie wieder hinkomme", sagte Specht gestern bei seiner Verabschiedung im Gasthaus "Grüner Jäger" vor 60 Kollegen und Weggefährten. "Es war eine tolle Zeit, aber jetzt freue ich mich auf den Ruhestand", resümierte der 60-Jährige.

Angesprochen auf die Erinnerungen aus fast vier Jahrzehnten Polizeidienst, fällt Specht spontan ein verlassenes Taxi ein, das Spaziergänger vor Jahren mit offen stehenden Türen an einem abgelegenen Teich entdeckten. "Da es vom Fahrer kein Spur gab, vermuteten wir Schlimmeres und starteten eine Suchaktion", erinnert sich der Polizist. Doch kaum waren zahlreiche Beamte an der Fundstelle eingetroffen, tauchte der Fahrer mit seiner Freundin im Arm aus einem Gebüsch auf. Dumm nur: Im selben Moment erschien auch die von den besorgten Polizisten herbeigerufene Ehefrau - die dem Fahrer vor den versammelten Polizisten eine Ohrfeige verpasste. Unvergessen ist für Specht auch der Ausflug einer kleinen Reinbekerin, die mit ihrem Dreirad verschwand. Nach mehreren Stunden Suche griff die Polizei das Kind in Wandsbek auf - die Kleine war mit Bus und Bahn über Bergedorf nach Hamburg gefahren, Specht übergab sie den glücklichen Eltern. Doch auch schreckliche Bilder bleiben hängen - wie ein vom Panzer überrolltes Auto bei Kollow oder verunglückte Kinder. "Froh bin ich aber, dass ich in all den Jahren im Einsatz nicht einen Schuss aus meiner Dienstwaffe abgeben musste", sagte der Polizist.

Specht ist tief mit der Region verbunden: Am Geesthachter Otto-Hahn-Gymnasium legte er sein Abitur ab, den Wehrdienst leistete er in Wentorf - und auch bei der Polizei ist er seiner Heimat immer treu geblieben. "Nach der Polizeischule wurde ich nach Ratzeburg in die Einsatzzentrale geschickt. Das war damals noch recht beschaulich", erinnert sich der 1. Polizeihauptkommissar. Direkt aus der Zentrale heraus wurde er im November 1981 Leiter der Wache in Schwarzenbek, 1987 wechselte er als Polizeichef nach Reinbek und blieb dort 23 Jahre. Seit 2010 leitete Specht die Polizeizentralstation in Geesthacht. "Die Veränderung zum Ende meiner Karriere war noch mal erfrischend. In Geesthacht kenne ich viele Menschen - und endlich konnte ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Es ist eine ganze Menge Lebensqualität, wenn man nicht täglich 90 Minuten oder länger für den Arbeitsweg braucht", erzählt der Vollblut-Polizist, der zusammen mit seiner Frau in Escheburg lebt.

Allerdings war die Arbeit in Geesthacht auch nicht immer einfach - was insbesondere mit den Veränderungen im Polizeiberuf zu tun hat. "Leider merken meine Kollegen und ich immer mehr, dass der Polizei weniger Respekt entgegengebracht wird. Die Gewalt gegen Beamte nimmt schon bei Kleinigkeiten zu. Das finde ich bedenklich", sagte Specht. Dennoch würde er den Polizeiberuf immer wieder ergreifen, stünde er heute noch mal vor der Wahl. "Kein Tag ist wie der andere und das hat es immer interessant gemacht", sagte der angehende Ruheständler. "Ansonsten hätte mich immer eine Karriere als Bauingenieur interessiert."

Den Ruhestand will Specht mit seiner Frau und den drei erwachsenen Kindern jetzt einfach genießen - ohne festen Plan. "Wir haben da ganz bewusst drüber gesprochen und uns entschieden, keine starren Ziele zu setzen", sagt Specht. Langweilig wird ihm ohnehin nicht, gern startet er mit dem Fahrrad oder dem Motorrad in die Natur, auch ein Wohnmobil steht für Touren bereit. "Und wer weiß, vielleicht bin ich in ein paar Jahren soweit, dass ich Zeit und Lust für ein Ehrenamt habe", sagte der 60-Jährige.

Ein Nachfolger für Thomas Specht in Geesthacht steht übrigens noch nicht fest - die Stelle wurde landesweit ausgeschrieben. Direktionschef Wolfgang Becker rechnet frühestens zum August mit einer Amtsübernahme.