Von Jan H. Schubert

Geesthacht.
Rissener Stieg, Eppendorfer Weg, Barmbeker Ring - das klingt nicht nur hanseatisch. Die Straßennamen im östlichen Teil des Hansaviertels verheißen Großstadtflair und waren in der Vergangenheit einmal eine der besten Adressen in Geesthacht. Doch das Viertel hat an Charme eingebüßt - wie allein optisch schon an den Schildern zu sehen ist.

"Was erwarten Sie denn? Das hier ist das Hansaviertel", sagt Bogdan M. heute und setzt entrüstet den Hundespaziergang mit Mischling "Charlie" fort. Der Frührentner wohnt im Borgfelder Stieg in einem Reihenhaus. Die Straßenschilder aber zeugen nicht unbedingt vom weltstädtischen Flair. Die weiße Schrift auf blauem Untergrund ist verdreckt und sieht schäbig aus.

Dabei hat das Wohngebiet östlich der Hansastraße deutlich bessere Zeiten gesehen. Auf dem Areal standen zunächst im Zweiten Weltkrieg sogenannte Behelfsheime, die ab 1943 für durch alliierte Bombenangriffe heimatlos gewordene Hamburger als Notunterkünfte in Plattenbauweise dienten. "Von daher kommen auch die Straßennamen", erklärt Heinz Niemann vom Heimatbund und Geschichtsverein, "weil dort ausschließlich Hamburger untergebracht waren." Als die Hamburger weg waren, kamen in den Behelfsheimen Flüchtlinge und vereinzelt auch Geesthachter unter, die nach den Schließungen der Rüstungsfabriken auf der Straße standen.

Der "Geesthachter Bauverein" leitete im Jahre 1959 ein Sanierungsprogramm ein - mit Einzel-, Familien-Reihen- und Hochhäusern, übrigens auch in Teilen Dünebergs. So, wie sich das Viertel mit den Hamburger Straßenschildern heute darstellt, existiert es seit 1974 mit Beendigung des "Barackenräumprogramms". Auf der einen Seite Mehrfamilienhäuser, auf der anderen Seite Einzelobjekte. "Das war damals eine Vorzeigestadtteil", sagt Niemann.

Und wie sehen die Schilder heute aus? "Schmuddelig", "versifft", "hässlich" - das sind Adjektive, mit der Anwohner und Passanten die Hinweistafeln charakterisieren. Niemann hat für den "Niedergang" auch eine Erklärung: "Leider ist über die Jahre hinweg das Umfeld nicht ideal besetzt worden." Damit meint er die oft als "Heuschrecke" bezeichnete Wohnungsbaugesellschaft Deutsche Annington.

Für die Pflege der Schilder ist übrigens der Betriebshof der Stadt verantwortlich. Nach Auskunft von Stadtsprecher Torben Heuer gibt es keine regelmäßige Reinigung.

Sauberer könnten sie dennoch sein, findet auch Anwohner Dietrich Gütschow, der seit 40 Jahren in dem Stadtteil lebt. Der 76-Jährige sagt aber auch: "Es stört mich im Grunde nicht, weil ich ja weiß, wo ich hin muss. Und von meinen Gästen wurde ich bisher auch immer gefunden, weil die meisten sowieso Navigationsgeräte benutzen."