Forschung: Historiker Werner Budesheim: Feldzug führte bis in Bereich Artlenburg

Wo heute Frachtschiffe vor der Einfahrt in die Schleuse warten, fuhren römische Trimeren unermüdlich Patrouille. Auf dem anderen Elbufer, gegenüber vom heutigen Geesthacht, lagerten fast 20 000 Soldaten in voller Montur. So soll es vor rund 2000 Jahren am Elbufer ausgesehen haben. Nach umfangreicher Forschung ist Historiker Dr. Werner Budesheim überzeugt, dass drei römische Legionen und mehrere Hundert Schiffe im Jahre fünf an der Elbe lagen. Der Wissenschaftler will seine Theorie jetzt mit Ausgrabungen belegen. Wenn ihm das gelingt, wäre das eine historische Sensation.

Mit den Germanen taten sich die Römer bekanntlich schwer - deshalb endete das römische Imperium am Rhein. Die Römer schützten ihre Außengrenze zwischen Rhein und Donau sogar mit einer 550 Kilometer langen Befestigung, bekannt als "Limes". "Nach Auswertung vorhandener Quellen bin ich aber davon überzeugt, dass die Römer bis an die Elbe gekommen sind", sagt Budesheim, Vorsitzender der "Freien Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur".

Zwar konzentrierten sich die Legionen westlich des Rheins in Gallien, das ist unstrittig. Doch Budesheim stützt sich auf mehrere Veröffentlichungen in denen - teilweise belegt durch Quellen aus der Römerzeit - immer wieder von Feldzügen der Römer in die Tiefen Germaniens geschrieben wird. Dort wird einerseits von Fahrten der Flotte bis in die Nordsee berichtet. Andererseits stieß er aber auch auf den Feldzug von Tiberius - einem Adoptivsohn des Kaisers Augustus - der mit drei Legionen von Mainz aus gen Norden zog. "Zu einem vereinbarten Zeitpunkt trafen sich diese Legionen und die Flotte an einem vereinbarten Ort an der Elbe", sagt Budesheim. Das würden die Quellen belegen, darüber herrsche Konsens in der Wissenschaft. Nur der genaue Ort ist offen.

Budesheim ist überzeugt, dass dieser am Südufer zwischen Geesthacht und Lauenburg liegen muss. "Die Römer hatten das Ziel, die Elbe zu überqueren. Das macht nur Sinn an einer Furt - und die gibt es bei Artlenburg", sagt der Forscher. Untermauert hat er diese These mit Fundstücken, die seit mehr als Hundert Jahren in den Archiven des Landesmuseums in Hannover schlummern. Budesheim stieß auf diese per Zufall durch eine Randnotiz, dass während Grabungen bei Lüneburg diverse römische Fundstücke ans Tageslicht kamen. Doch der Bestand war nicht einmal aufgearbeitet. "Auf meine Anfrage in Hannover wurden erstmals Fotos der Stücke angefertigt", sagt Budesheim - und die belegten seine Vermutung. "Es handelt sich um Griffe von Schwertern und Gürtelschnallen, also ausschließlich um Militaria", so der Forscher. "Alle Teile sind mit einer feinkörnigen Sandkruste umgeben, was darauf hinweist, dass es sich nicht um Grabbeigaben, sondern um verloren gegangene Teile handelte", so Budesheim. Demnach stammten die Fundstücke von durchziehenden Soldaten. Die Legionen waren also tatsächlich in der Region.

Jetzt will Budesheim zusammen mit mehreren anderen Forschern den genauen Ort des Militärlagers finden, das vermutlich mehrere Monate existierte. "Wir werten dazu Luftaufnahmen des Elbufers aus. Wenn es Hinweise gibt, gucken wir uns die Region an oder würden sogar mit Ausgrabungen beginnen." Die Aufnahmen müssen besonders hochauflösend sein. "Wir suchen nach erkennbaren Verfärbungen des Bodens, die auf den Standort eines Lagers hinweisen könnten", sagt Budesheim, der in Geografie promoviert hat. Funde wären aber trotz der akribischen Vorarbeit eine Sensation. Sie sind jedoch keinesfalls ausgeschlossen, so entdeckten Forscher vor Jahren in Hedemünden (Niedersachsen) überraschend Reste eines ähnlichen Römerlagers. "An der Elbe wird es aber schwierig, da in 2000 Jahren viele menschenbedingte landschaftliche Veränderungen erfolgt sind", sagt Budesheim.

Eines ist jetzt schon sicher: In Geesthacht sind die Römer nie gewesen - denn die Stadt gab es noch nicht, als die Heere am Elbufer lagen. Das Dorf Hachede als Vorgänger von Geesthacht, das später im veränderten Lauf der Elbe versank, wurde erst 1216 erstmals urkundlich erwähnt - lange nach Tiberius. Allerdings gab es in der waldreichen Region auch damals schon Siedlungen - wie das bronzezeitliche Totenhaus bei Grünhof-Tesperhude belegt.

Seine Forschungsergebnisse hat Werner Budesheim mittlerweile publiziert. Der Aufsatz "Römer in der Elbe" ist im Band "Suchen, sammeln, sichten" der FLA erschienen. Weitere Informationen unter www.fla-wentorf.de.