Ehrenamt: Alkohol- und Drogenakademie bildet sechs Männer zu Suchthelfern aus

Sie kennen alles aus eigener Erfahrung: ein Leben, das sich um die Sucht dreht, Veränderung des Charakters, Vernachlässigung von Beziehungen. Sechs Männer wollen sich zum "ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer" in der Akademie der Alkohol- und Drogenberatung (ADB) ausbilden lassen. Die Geschichten, die sie von ihrem eigenen Krankheitsweg berichten, sind erschreckend: "Ich habe täglich vier Flaschen Schnaps getrunken, eines Morgens nach dem Alkoholeinkauf habe ich eine halbe Flasche getrunken, den Rest weggegossen und mich gefragt, was ich da eigentlich mache", sagt einer der zukünftigen Suchthelfer, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Anderen zu helfen, diesen Weg mit Hilfe von Fachleuten ebenfalls zu beschreiten, das ist der Antrieb, der die sechs Männer eint. Und sie sagen einstimmig, dass die Abhängigen immer jünger werden.

Diplom-Psychologe, Suchttherapeut und Ausbilder Roland Jurth kann dies bestätigen: "Hinzu kommt, dass es mitunter 20 bis 30 Jahre braucht, bis Alkoholiker die eigene Erkrankung eingestehen und um Hilfe nachsuchen." Vom "kalten Entzug" rät er ausdrücklich aus medizinischen Gründen ab, auch wenn zwei der sechs Teilnehmer dies für sich erfolgreich praktiziert haben.

Es gehört viel Mut dazu, sich als Alkoholiker, auch wenn "trocken", zu outen, aber vielleicht ist auch ein klein wenig Selbstschutz vor der eigenen Erkrankung dabei. Die künftigen Suchthelfer haben sich viel vorgenommen. Insgesamt 100 Stunden Schulung, davon 75 Stunden in den nächsten sechs Monaten, danach über ein Jahr verteilt 25 Stunden Supervision. Abgeschlossen wird die Schulung mit einem Zertifikat als "Ehrenamtlicher Suchtkrankenhelfer", ausgestellt von der ADB-Akademie, dem ein prüfungsähnliches Gespräch vorausgeht. Die künftigen Suchthelfer setzen jedoch nicht nur ihre Freizeit für andere ein, sondern tragen auch die Kosten von 900 Euro für die Ausbildung. Ob eine Erstattung durch Arge, Arbeitsagentur oder die Arbeitgeber möglich ist, muss jeder Teilnehmer für sich abklären lassen. Voraussetzung zur Teilnahme ist eigene Betroffenheit, entweder als Abhängiger, Familienangehöriger oder beruflich bedingt. "Mindestens ein Jahr sollten die Süchtigen von ihrer Droge weg sein", berichtet Roland Jurth, der in der Akademie bei den medizinischen Themen von dem Arzt Guido Tyroff aus dem Johanniter-Krankenhaus unterstützt wird. Der Einsatz der Suchthelfer könnte sowohl in Betrieben als auch sozialen Einrichtungen zum Tragen kommen, aber auch die Gründung eigener Selbsthilfegruppen ist denkbar.

Gebraucht werden sie von der Gesellschaft auf jeden Fall, davon ist auch Roland Jurth überzeugt, der das Konzept zu dem Projekt bereits seit drei Jahren in der Tasche hat. Wer Interesse an der Ausbildung hat, wendet sich an die ADB (Am Markt 7), Telefonnummer (0 45 41) 89 17 17. Mit finanzieller Unterstützung des Kreises und der Stadt arbeitet die ADB bis Mitte 2015, wie es danach weitergeht, ist unklar. Eine Entscheidung über die künftige Trägerschaft erfolgt erst im November.