Krümmel-Bahn: Verwunschenes Gleis führt quer durch den Wald zum Industriepark am Grünen Jäger

Die Schwellen mit Moos bewachsen, Baumstämme, die den Gleisstrang umschließen, wucherndes Unkraut, das undurchdringlich erscheint: Das Gleis, das vom Kernkraftwerk Krümmel am Helmholtz-Zentrum vorbei über Grünhof und die Max-Planck-Straße ins Industriegebiet an der Borsigstraße führt, scheint längst vergessen zu sein. Beinahe verwunschen liegt es da. Der letzte Zug fuhr hier 1991 bei einer "Streckenbereisung" zur technischen Abnahme.

"Die Strecke ist stillgelegt, aber noch als Bahngleis gewidmet", erklärt Torben Heuer, der Sprecher der Stadt. Die Stadt ist Eigentümer der scheinbar vergessenen Strecke, die früher ein Teil der Krümmel-Bahn war. Zu der gehörten 1944, als die Sprengstoffproduktion in Krümmel wegen des Zweiten Weltkriegs boomte, rund 40 Kilometer Gleisanlage auf dem weitläufigen Werksgelände. Seit 1915 war das Netz immer weiter ausgebaut worden.

Heute gibt es nur noch ein Gleis, alle anderen Streckenabschnitte wurden demontiert. 1953, als das Fabrikgelände von Sprengstoff und Chemikalien gesäubert war, machte die Stadt mit der Industrieverwertungsgesellschaft (IVG) des Bundes einen Vertrag, um das Gleis vom Geesthachter Bahnhof über Krümmel und Grünhof bis zur Borsigstraße nutzen zu können. Denn an der Borsigstraße wurden die Wilhelmsburger Maschinenfabrik und die Westdeutsche Quarzschmelze angesiedelt.

"Die Wilhelmsburger hat viele Rohmaterialen per Bahn bekommen und fertige Maschinen teilweise per Bahn ausgeliefert", weiß Hermann Scharping. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn (AGE), die den von Dampflok "Karoline" gezogenen Museumszug einsetzt, hat in der Fabrik den Beruf des Maschinenschlossers gelernt und bis zur Werksschließung 1992 dort gearbeitet. Scharping: "Soweit ich mich erinnere, sieht der Vertrag der Stadt mit der IVG vor, dass das Gelände bei einer Aufgabe des Gleises in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müsste." Ein extremer Aufwand, baulich, ökologisch und finanziell. "Der Rückbau wäre sehr teuer", sagt Heuer. Und so liegt das Bahngleis im Dornröschenschlaf, die Besitzerin des Industriegebiets an der Borsigstraße wirbt dennoch mit dem Gleisanschluss für den Standort.

Eine Zeit lang führten Nebengleise auch zum Pumpspeicherwerk am Elbufer und zum damaligen GKSS-Forschungszentrum. Doch die sind längst Geschichte.

Der Großteil des stillgelegten Bahngleises befindet sich heute auf dem IVG-Gelände beidseits der Max-Planck-Straße. Ein Zugang in den Wald ist wegen der hohen Umzäunung nicht frei möglich. Wer den zuständigen Jagdaufseher fragt, ob er ihm eine der Pforten öffnet, der entdeckt aufgeschüttete und komplett bewachsene Bahndämme, Weichen, Treppenanlagen, die zum früheren Bahnhof an der Jahnstraße führten, und eingestürzte ehemalige Fabrikanlagen. Ganz im Nordwesten endet das Gleis vor einer Pforte, auf deren anderer Seite mittlerweile eine Leichtbauhalle errichtet wurde.

"Ehe man dieses Bahngleis wieder nutzen könnte, müsste wohl einiges getan werden. Man könnte das Gleis aber neu verlegen, dann funktioniert das wieder", sagt Scharping. Die Stadt winkt ab. "Solange wir keine Anforderung bekommen, dass da Züge fahren sollen, tun wir nichts", sagt Heuer.