Allgemeinmedizin: Arztpraxen am Limit - Zwischen 120 und 140 Patienten in der Sprechstunde

Volle Wartezimmer und immer neue Terminanfragen - jetzt macht sich der Ärztemangel in Geesthacht bemerkbar: Die ersten Hausärzte verhängen einen Aufnahmestopp. "Notfälle behandeln wir selbstverständlich weiter, aber wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf", sagt Allgemeinmedizinerin Dr. Michaela Kubsch in der Berliner Straße. "Bei diesem Ansturm sind wir am Rande unserer Kapazitäten angelangt", sagt Dr. Thomas Völkel. In seinem Hausarztzentrum in der Bohnenstraße bekommen nur noch alteingesessene Patienten einen Termin - mit Wartezeit.

"Ich schaffe das sonst nicht mehr", so Kubsch. Die Ärztin betreut jeden Vormittag zwischen 120 und 140 Kranke. Allein im letzten Quartal mehr als 1500 Patienten. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) geht bei einer normalen Arztstelle von einem Durchschnitt von etwa 800 Patienten in diesem dreimonatigen Abrechnungszeitraum aus. "Die offizielle, bundesweite Bedarfsplanung sieht eine Standardzahl von 1671 Einwohnern pro Hausarzt vor", sagt Delf Kröger, KV-Sprecher. In der Metropolregion Süd-Ost - in der auch Geesthacht liegt - ist die Verhältniszahl sogar noch höher. Sie liegt bei 1872 Einwohnern pro Arztstelle.

Der Grund für den Anstieg der Patientenzahlen: Im Frühjahr haben sich die beiden alteingesessenen Ärzte Dr. Helena Frerichs und Dr. Christian Braulke in den Ruhestand verabschiedet (wir berichteten). Sowohl Völkel als auch Kubsch haben Patienten von den beiden geschlossenen Arztpraxen übernommen.

Ein weiterer Punkt: Die Praxis in der Berliner Straße wird bei der Kassenärztlichen Vereinigung mit 1,5 Stellen geführt. "Aber momentan bin ich allein", sagt Kubsch. Ihre Kollegin Dr. Raphaela Schnellen hat die Praxisgemeinschaft verlassen. Die halbe Stelle soll zwar neu besetzt werden, aber voraussichtlich erst zum Januar 2015. "Bis dahin versuche ich, eine Vertretung zu organisieren", so Kubsch. Auch Völkel hat schon etwas in petto: "Anfang September bekommen wir Verstärkung durch einen neuen, sehr erfahrenen Arzt", so der Allgemeinmediziner. Der neue Kollege soll zunächst stundenweise, dann halbtags arbeiten. Wie die zusätzliche Stelle verrechnet wird, ist allerdings noch nicht geklärt.

Unklar ist weiterhin, wie es mit der KV-Stelle der Praxis von Dr. Braulke im Versorgungszentrum an der Hansastraße weitergeht. "Wir sind noch in Verhandlungen", sagt Inga Papst, Referentin für Unternehmenskommunikation in der Geesthachter Helios-Klinik. Allerdings soll die Stelle fristgerecht nachbesetzt werden.

Doch die Suche könnte schwierig werden. Völkel: "Viele junge Ärzte in der Ausbildung sehen nur überall die Sperrfristen der KV und machen lieber ihren Facharzt."