Krisenherde: SPD-Außenexperte Niels Annen befürchtet Eskalation der Lage im Nahen Osten

In Nordafrika und im Nahen Osten droht ein Flächenbrand, in der Ukraine kehrt keine Ruhe ein, und die Flüchtlingsströme - die auch Geesthacht erreichen - reißen nicht ab. "Besonders die Entwicklung in der Ukraine macht uns Sorgen, weil es wirtschaftliche Verbindungen gibt und wir über unsere Partnerschaft mit Kuldiga auch eng mit dem benachbarten Baltikum verbunden sind", sagt SPD-Ratsherr Hans-Werner Madaus. Aus diesem Grund haben die Geesthachter Sozialdemokraten auch Niels Annen, Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu einer Diskussion ins Krügersche Haus eingeladen. Im Vorfeld des Gesprächs hat der Außenpolitiker im Interview mit Redakteur Stefan Huhndorf seine Einschätzung der aktuellen Entwicklungen abgegeben.

Herr Annen, müssen wir uns wegen der aktuellen politischen Entwicklungen in der Ukraine Sorgen vor einem neuen Krieg machen?

Annen:

Der Konflikt ist nah dran an den Bürgern, deshalb machen sich viele Sorgen. Wenn sich das Verhältnis zu Russland verschlechtert, hat das natürlich Konsequenzen. Ich glaube aber nicht, dass ein Krieg droht. Zumal es fast täglich Gespräche auf höchster Ebene gibt und Polen ein Interesse hat, den Konflikt beizulegen.

Was würde der aktuell diskutierte EU-Beitritt der Ukraine in diesem Zusammenhang bedeuten?

Das ist keine kurz- oder mittelfristige Option. Es freut mich, dass sich die Ukraine nach Europa orientiert und sich stärker an die EU bindet. Ein Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt wäre politisch und ökonomisch aber nicht realistisch und würde eher zu einer Eskalation der Auseinandersetzungen beitragen.

Kommen wir zum Problem der Flüchtlinge, das die Geesthachter ebenfalls beschäftigt. Worauf müssen wir uns in der Region noch einstellen?

Die Dimension der Flüchtlingsströme ist kaum zu fassen. In Jordanien gibt es das größte Flüchtlingslager der Welt mit 120 000 Menschen. Der Libanon hat 4,2 Millionen Einwohner und bereits eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Täglich werden es mehr. Ich kann nicht ansatzweise beziffern, wie viele Menschen noch kommen werden, aber wir werden wohl noch über Jahre Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wir dürfen nicht vergessen aus welcher Notlage diese Menschen kommen. Deshalb müssen wir ihnen helfen.

Der Iran hat mit Hassan Rohani einen neuen Präsidenten. Ist das eine Chance für Frieden in der Region?

Das ist in der Tat einer der Krisenherde, bei dem man optimistisch sein kann. Ich glaube, dass wir in der Iranfrage ein gutes Stück weitergekommen sind. Ein Abkommen über die friedliche Urananreicherung zur Energieerzeugung und den Verzicht auf Atomwaffen könnte ein Ende der Sanktionen bedeuten und die Region stabilisieren. Denn ohne den Iran wird es keine Lösung des Syrienkonflikts geben.

Wie soll es weitergehen mit den Verhandlungen mit Syrien?

Man braucht dafür einen langen Atem. Keine der beteiligten Parteien kann den Krieg gewinnen. Die Dramatik dieses Konflikts haben wir noch nicht verstanden. Es ist ein Fehler, nur eine Lösung ohne Präsident Assad zu suchen. Möglicherweise muss er auch für eine Übergangszeit noch eine Rolle spielen, bis es freie Wahlen gibt.

Mittlerweile eskaliert auch die Situation im Irak. Droht jetzt ein Flächenbrand?

Wenn man ehrlich ist, war der Krieg seit dem Desert Storm nie beendet. Es gibt ethnische Gruppen, die sich seit Jahren bekämpfen. Al-Qaida ist in einigen Landesteilen so mächtig, das sie Steuern erhebt. Die Instabilität in der Region setzt sich fort und damit werden die Flüchtlingsströme weiter wachsen.