Kleingartenverein Grünhof-Tesperhude - Vom Spaß zu säen und zu ernten jenseits spießiger Klischees

Roter Klatschmohn blüht neben der kleinen Terrasse, vereinzelte Pollen segeln durch die Luft - Herbert Frohnert will auf seiner Parzelle mit der Nummer 6 noch ein paar Erdbeeren pflücken, bevor er seine Frau im Krankenhaus besucht. Dafür holt der 73-Jährige schnell eine orange Plastikschüssel und eine Schaumgummimatte für die Knie aus seiner Laube. Schnurgerade ziehen sich die Setzreihen durch seinen Anbaugarten, voll mit roten, saftigen Erdbeeren. "Leider fällt mir das Aufstehen immer schwerer", so der Kleingärtner. Ein bisschen wehmütig gleitet sein Blick über sein kleines Refugium.

Vor 27 Jahren haben Frohnert und seine Frau Hannelore ihre 400 Quadratmeter große Gartenfläche in der Anlage des Kleingartenvereins Grünhof-Tesperhude im Buchenhain gepachtet. Damals betrug die Pacht noch 2 Pfennig pro Quadratmeter - heute liegt der Quadratmeterpreis wegen der neuen Wasserleitung bei 10 Cent. Dafür gibt es aber auch seit fünf Jahren einen Stromanschluss auf allen 20 Parzellen der Anlage. "Außerdem mussten wir noch 6000 Mark Ablöse für die Laube, die Bäume und die restlichen Pflanzen zahlen", erinnert sich der Rentner aus Hamburg. Am Anfang galt das Ehepaar aus der Hansestadt noch als "Ausländer", doch in der Zwischenzeit sind die beiden in die Gemeinschaft hineingewachsen. Heute ist sich Frohnert nicht mehr sicher, wie lange er noch die Kraft hat, sich um seine Parzelle zu kümmern

Kleingartenverein - ein Wort, das lange Zeit für gelebtes Spießertum hinter der gestutzten Gartenhecke mit exakt getrimmtem Rasen stand, erlebt zurzeit eine Renaissance. Immer mehr Wohnungseigentümer und -mieter besinnen sich auf die Vorteile eines Schrebergartens: Obst und Gemüse aus dem eigenen Anbau, eine Rasenfläche für die Kinder zum Spielen sowie ein Platz an der Sonne. Diese Vorteile haben auch Conny Bauermeister (34) und ihr Lebensgefährte Torsten Iserloth (31) erkannt: Der Koch am Helmholtz-Zentrum Geesthacht und die Mutter von Lya (4) wohnen in Grünhof in einer Wohnung und sind seit dem 1. April die neuen Pächter der Parzelle Nummer 5. Zwischen Wohnung aufräumen, Arbeiten und Kinder betreuen, steht jetzt auch noch Blumen gießen, Komposthaufen umsetzen und Rasen mähen auf dem Programm. Der Lohn: "Wir können hier richtig gut entspannen", sagt Neugärtnerin Bauermeister. Außerdem gefällt den beiden die gute Gemeinschaft in der Anlage zwischen Buchenwald, Pferdekoppel und Rapsfeldern.

"Neue Pächter bekommen bei uns Hilfestellung", sagt der Vereinsvorsitzende Herbert Bahr. Fachberater wie Birgit Boelter (52) erklären Neulingen, wann welche Pflanze gesetzt wird, worauf man beim Anlegen der Beete achten sollte. Außerdem feiert die kleine Gemeinschaft am Waldrand jedes Jahr drei Feste in der Vereinslaube.

Aber: Es gibt auch Pflichten und Vorschriften. "Jeder Pächter muss acht Stunden Gemeinschaftsarbeit leisten", erklärt Vereinschef Bahr. Und was die Regeln angeht, unterliegen auch der Grünhofer Schrebergärtner dem Bundeskleingartengesetz. Dazu gehört unter anderem die Drittel-Regel: Ein Drittel des Gartens soll unter den Spaten, also mit Tomaten, Gurken, Kohlrabi oder Salat bepflanzt werden. Ein weiteres Drittel gehört den Blumen und das letzte Stück kann als Rasenfläche zur Erholung genutzt werden. Ebenfalls gesetzlich festgeschrieben: die Größe der Gartenlauben. "Maximal sind 24 Quadratmeter erlaubt", sagt Bahr. Und fährt in Bezug auf Heckenhöhe, Übernachtungen und Grillabende fort: "Wir müssen uns auch daran halten, sehen aber nicht alles so streng". Der Rentner verbringt seit dem Tod seiner Frau viel Zeit auf seiner Parzelle mit dem von ihm selbst gepflanzten Kirschbaum.

Acht Bienenvölker von Hobby-Imkerin Lucina Richter sorgen dafür, dass sowohl der Kirschbaum und anderen Pflanzen in der Kleingartenanlage auch weiterhin blühen und Früchte tragen. Bahr: "Wir sind sehr glücklich über unsere neuen Nachbarn." Was wäre schließlich ein Garten ohne die wichtigen fliegenden Helfer.