Selbsthilfe: “Angsthasen“ sprechen offen über ihre Probleme

Vier Millionen Deutsche sind in Behandlung, die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich größer: Volkskrankheit Depression. "Mit 132 Anfragen von Betroffenen im vergangenen Jahr ist der ganze Komplex Depression, Mobbing und Burnout bei uns mittlerweile der größte Bereich. In den vergangenen 18 Monaten sind bei uns kreisweit drei Selbsthilfegruppen zu dem Thema entstanden", sagt Renate Schächinger von der Beratungsstelle Kibis in Geesthacht.

Die Ursachen: Wachsender Stress am Arbeitsplatz, Familientragödien, Trennung oder Mobbing. Die Auswirkungen sind unterschiedlich. Oft sind Alkohol- und Drogenmissbrauch Begleiterscheinungen, viele Erkrankte sind suizidgefährdet. "Depressionen sind die Hauptursache für Selbstmorde", sagt Schächinger.

Wie schlimm diese Panikattacken sind, weiß die Geesthachterin Gabriele Intermann aus eigener Erfahrung. Seit sechs Jahren ist die Frau krankgeschrieben. Drei Todesfälle in der Familie waren der Auslöser für Probleme, die zunächst mit Schmerzen in den Knien und einem Bandscheibenvorfall losgingen. "Ein Arzt erkannte dann, dass die gesundheitlichen Probleme psychisch begründet sind. Dann kamen die Angstattacken, ich wollte nicht mehr vor die Tür gehen, habe mein Auto und mein Motorrad verkauft", erzählt die Geesthachterin, die die Selbsthilfegruppe "Angsthasen Geesthacht" seit einem Jahr organisiert. Dort treffen sich wöchentlich etwa 15 Betroffene.

Ein zunehmendes Phänomen ist auch der Burnout. "Oft ist Stress am Arbeitsplatz der Grund", sagt Buchautorin Tanja Salkowski, die seit 2008 an Depressionen leidet. Auslöser war Mobbing am Arbeitsplatz. Sie schmiss den Job in einer Werbeagentur, die Angstzustände blieben. "Manchmal traute ich mich nicht einmal in den Supermarkt, weil da zu viele Menschen um mich herum waren", erzählt die 38-Jährige. Sport oder Schreiben helfen der Frau, besser mit den Depressionen umgehen zu können. "Aber die Schübe kommen immer wieder, ich bin dann unendlich traurig", sagt sie.

Ihre eigene Krankheit hat sie in dem Roman "Sonnengrau: Ich habe Depressionen - na und?" öffentlich gemacht, denn: Viele Betroffene outen sich nicht, da es sich immer noch um ein Tabuthema handelt. Um das zu ändern, laden Tanja Salkowki und die "Angsthasen Geesthacht" zu einer Lesung ein. "Ich hoffe, dass auch viele Arbeitgeber kommen. Die haben oft wenig Verständnis für Mitarbeiter mit Depressionen und Burnout", so Salkowski. Die Lesung beginnt am Donnerstag, 5. Juni, um 19 Uhr in der Christuskirche (Neuer Krug 4). Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.