Naturschutzbund und Experten der Uni Kiel zu Besuch bei den nächtlichen Jägern - Die Tiere lieben Geesthachts alte Bunker

Seit mehr als zehn Jahren betreut der Naturschutzbund (Nabu) in Geesthacht bereits Fledermaus-Winterquartiere. Gestern war nun "Inventur". Herbert Bahr, Fledermaus-Beauftragter des Nabu in der Stadt, und Matthias Götsche vom Fledermaus-Monitoring der Universität Kiel besichtigten die Unterkünfte. Vier alte Bunkeranlagen aus der Zeit der Dynamitfabrik von Alfred Nobel und ein Stollen in Tesperhude, der während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker für die Einwohner diente, wurden begutachtet.

"In diesem Jahr herrscht in den Winterquartieren noch nicht allzu viel Gedränge, weil es noch nicht kalt genug war", weiß Götsche. Und tatsächlich: Herbert Bahr steigt eine Leiter herunter, die in einen unterirdischen Bunker führt. Bahr schließt die kleine, quadratische Stahltür auf und gibt so den Blick frei auf einen teilweise gesprengten und eingestürzten Bunker, in den früher vermutlich eine Lore führte. In dem Bunker auf dem Gelände des Helmholtz-Forschungszentrums finden die Experten nur vereinzelte Fledermäuse, die in eigens angebrachten Lochsteinen hängen. "Eine Fransen", sagt Götsche - und meint eine Fransenfledermaus. Ein paar Kästen weiter findet er eine Wasserfledermaus. Beide Arten sind typisch für Geesthacht. Götsche: "Vor zwei Jahren haben wir hier aber sogar eine Mausohrfledermaus entdeckt, das war der erste Nachweis seit mehr als 20 Jahren außerhalb der Segeberger Höhlen."

Die Fledermäuse können sich in diesen Quartieren gut mit heruntergefahrenem Stoffwechsel über den Winter retten. "Die Hälfte der 15 in Schleswig-Holstein bekannten Arten nutzt solche unterirdischen Quartiere, weil es dort feucht und nicht zu kalt ist", berichtet Götsche. Den anderen Tieren reichen Baumhöhlen oder geschützte Hauswände, um in der kalten Zeit zu überwintern.

Einmal im Jahr kommen die Fledermaus-Experten zur "Inventur" in die Anlagen. Auch in den Stollen schräg gegenüber bei "Bäcker Heinz" in Tesperhude. In der Stahltür gibt es einen kleinen Schlitz, der den Tieren ausreicht, um das ansonsten verborgene Refugium zu erreichen. Aus dem Stahlbeton ragen kleine Eisenhaken, an die sich die Tiere hängen. In dieser Haltung harren sie dann meistens vom ersten Frost im November oder Dezember bis in den April hinein aus. Etwa ein Viertel ihres Körpergewichts haben sich die Tiere im Herbst als Fettpolster am Bauch und im Nacken zugelegt, um davon zehren zu können. In dem Stollen findet Götsche ein "Braunes Langohr" und zehn Wasserfledermäuse.

"Hier ist besonders interessant, wie sich die Zahl der Tiere entwickelt hat. Nachdem wir lange Zeit nicht eine einzige Fledermaus entdecken konnten und dann das erste Tier da war, stieg ihre Zahl in den Folgejahren auf etwa acht bis 15 pro Jahr. Das Quartier scheint sich dann wirklich herumzusprechen", sagt Götsche.

Gestern zählte er elf Tiere in dem ehemaligen Luftschutzbunker und war mit dieser "Ausbeute" zufrieden.

Aufgrund seiner explosiven Geschichte bietet Geesthacht viele weitere Unterkünfte, die der Nabu gar nicht betreut. "Solche Trümmergebäude wie die nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörten Bunker- und Produktionsanlagen der Dynamitfabrik sind ideal", weiß Bahr.

Der Nabu hatte zwar auch in den Besenhorster Sandbergen Quartiere eingerichtet, die Betreuung dort aber aufgegeben, weil sie zunehmend mutwillig zerstört wurden. Ein Problem, von dem auch Götsche weiß. "Immer mehr 'Schatzsucher' erkunden heute alte Bunker- und Fabrikanlagen und stören dann die dort untergekommenen Fledermäuse", sagt er. Werden die Tiere aufgeschreckt, verbrauchen sie in einer Stunde so viel Energie wie sonst innerhalb einer ganzen Woche Winterschlaf.

Roland Doerffer vom Geesthachter Nabu begleitete die Fledermaus-Zählung, um einen Film zu produzieren, der bei Kinovorführungen im Kleinen Theater Schillerstraße als Vorfilm gezeigt werden soll. Fledermäuse gelten als vom Aussterben bedrohte Tiere und sind laut Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt. Es ist verboten, ihnen nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Darüber hinaus sind auch ihre Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten geschützt.