Freikirche: Ehrenamtliche Kräfte fehlen: Sonntag ist letzter Gottesdienst am Barmbeker Ring

Der Weihnachtsschmuck hängt noch an der Wand, die Stühle im Gemeindesaal sind akkurat aufgereiht für den Gottesdienst am Sonntag. Auf den ersten Blick ist alles wie immer in der Freien evangelischen Gemeinde in der Oberstadt. Doch die Stimmung ist gedrückt - denn am Sonntag, 12. Januar, wird die Gemeinde aufgelöst. Nach einem Abschiedsgottesdienst ist am Barmbeker Ring Schluss mit dem Gemeindeleben. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber uns fehlen die Kräfte, um hier den Betrieb aufrecht zu erhalten", sagt Pastor Karsten Wagner (37). "Wir sind kleiner geworden und auch älter. Das macht sich leider bemerkbar." So musste die einst beliebte Pfadfindergruppe bereits im März 2012 eingestellt werden, weil kein Gruppenleiter mehr zur Verfügung stand. Nachwuchs ist kaum mehr zu finden - und das ist in einer Gemeinde, die auf das Ehrenamt angewiesen ist, ein Problem. "Auch das Geld spielt natürlich eine Rolle, aber nicht die Wesentliche", betont der Pastor, der die Gemeinde seit vier Jahren geleitet hat.

40 Gemeindeglieder zählt die Gemeinde. "Fast alle waren jeden Sonntag beim Gottesdienst", sagt Wagner. Zu ihnen zählt Margitta Pries (55), die vor allem die Gemeinschaft vermissen wird. "Zum Gottesdienst kam man rein und war sofort unter Freunden. Wir haben auch im Anschluss oft noch lange zusammen gesessen. Wie es jetzt weitergeht, weiß ich noch nicht." Für die freie Gemeinde entschied sich die Geesthachterin, weil hier alles auf Freiwilligkeit fuße. "Hier bin ich nicht gezwungen, Steuern zu zahlen, sondern ich kann spenden", sagt Pries. Ansonsten unterschied sich die Gemeindearbeit hauptsächlich im Taufritual von der evangelischen Kirche. "Wir taufen keine Säuglinge. Bei uns soll sich jeder bewusst für den Glauben entscheiden. Außerdem ist uns die Trennung von Kirche und Staat sehr wichtig", sagt Wagner.

Gegründet wurde die Gemeinde direkt nach dem Krieg, die treibende Kraft waren damals Flüchtlinge aus Ostpreußen. Zuerst wurde der Gottesdienst an der Nelkenstraße gefeiert, 1978 zog die Gemeinde in den frei gewordenen Supermarkt in der Oberstadt. "Damals war unsere Gemeinde noch sehr stark und wir hatten eine tolle Jugendarbeit", sagt Jürgen Peeck (84), der seit fast 50 Jahren in der Freikirche aktiv ist. "Wir waren viel unterwegs mit den Jugendlichen in Finnland, zum Skilaufen, im Zeltlager. Doch heute fehlt den Jugendlichen oft die Zeit für so etwas", sagt der Geesthachter, der sich auch als ehrenamtlicher Hausmeister für die Gemeinde engagiert. "Ich kenne vermutlich jedes Kabel im Gemeindehaus", sagt der Rentner.

Wie viele andere Gemeindeglieder hofft er, dass es in der Oberstadt trotzdem weitergeht. So ist die Freie evangelische Gemeinde bereits mit einer anderen Freikirche im Gespräch, die das Gemeindezentrum übernehmen möchte. "Ich freue mich auf einen Neubeginn. Auf jeden Fall bleibe ich hier oben", sagt Peeck. "Andere schließen sich anderen Freikirchen in Geesthacht und Umgebung an", weiß Pastor Wagner. Er selbst ist derzeit im Gespräch, eine andere Gemeinde im Bund der Freien evangelischen Gemeinden zu übernehmen. "Der Abschiedsgottesdienst wird mir aber sehr schwer fallen", sagt Wagner.

Bis geklärt ist, ob eine andere Gemeinde die Räume übernimmt, läuft das Seniorencafé (freitags, 15 Uhr) und der Seniorenkreis (dienstags 15 Uhr) weiter, um beides kümmert sich Margitta Pries. "Ich hoffe sehr, dass wir auch jemanden finden, der unseren Nachbarschaftstreff weiterführt. Denn der wurde in der Oberstadt sehr gut angenommen", sagt Wagner.

Der Dank- und Abschiedsgottesdienst der Freien evangelischen Gemeinde beginnt am Sonntag, 12. Januar, um 15 Uhr im Gemeindezentrum am Barmbeker Ring 15. Danach löst sich die Gemeinde auf.