Fahrlässige Tötung? Psychiaterin hatte Mann entlassen - Kurz darauf erstach er seine Mutter

Es ist Mittwoch, der 2. Januar 2013, als Luise L., Ärztin der Psychiatrie im Geesthachter Johanniter-Krankenhaus, den Patienten Babak M. gehen lässt. Erst wenigen Stunden zuvor hatten Polizisten den Mann in die Klinik gebracht, weil er böse Stimmen gehört hatte, die ihm befahlen, seine Mutter zu töten. Drei Stunden nachdem Babak M. die Psychiatrie verlassen hatte, ersticht er seine Mutter Manijeh F. in der Oberstadt mit 60 Stichen.

Vom 2. Dezember an wird sich die Medizinerin nun vor dem Lübecker Landgericht verantworten müssen. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung. "Wir haben uns das nicht leicht gemacht", sagt Günther Möller, der Sprecher der Lübecker Staatsanwaltschaft. So muss das Gericht die Frage klären, ob die Ärztin Babak M. falsch eingeschätzt hatte. Eine Krankenschwester der Psychiatrie hatte dem damals 31-Jährigen sogar noch erklärt, wie er vom Krankenhaus am Runden Berg zur Wohnung seiner Mutter (59) am Rothenburgsorter Weg kommen könne. Dort nahm das Unheil dann seinen Lauf.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Psychiaterin einen Fehler gemacht hat. "Der Ärztin wird vorgeworfen, dem Mann den Weggang aus der Klinik ermöglicht zu haben, ohne ihn sich vorher noch einmal anzusehen. Hätte sie das getan, wäre sie sicher zu einer anderen Entscheidung gelangt", so Möller. "Das widerspricht den Regeln der ärztlichen Kunst", so Möller - deshalb jetzt die Anklage. Das Gericht hat drei Verhandlungstage angesetzt. Unter anderem werden dabei zwei Krankenschwestern als Zeuginnen zu Wort kommen. Schon seit kurz nach der grausamen Tat ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung gegen die Ärztin (wir berichteten).

Im Juli dieses Jahres hatte das Lübecker Landgericht Babak M. bereits aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie, wegen der er als gefährlich für die Allgemeinheit gilt, in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Nach Feststellung des Gerichtes folgte der 31-Jährige am Tattag "imperativen inneren Stimmen". Wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit habe man ihn nicht verurteilen können, betonte das Gericht. Schon seit Jahren hatten sich immer wieder Ärzte, Betreuer und Gutachter um den jungen Mann gekümmert.

Wie sich die Tat damals genau zugetragen hatte, beleuchtete das Gericht bei der Verhandlung gegen Babak M. sehr detailliert: So war Babak M. am 1. Januar 2012 kurz nach Mitternacht in Hamburg in einen Linienbus gestiegen. Er berichtete anderen Fahrgästen davon, böse Stimmen zu hören, "Todesengel" würden ihm flüstern, er müsse in Geesthacht seine Mutter töten. Ein Fahrgast rief daraufhin die Polizei, zwei Männer kümmerten sich um Babak M., bis die Beamten eintrafen. Sie brachten den 31-Jährigen in die Geesthachter Psychiatrie. Babak M. erzählte bei der Verhandlung, dass er tagelang nicht geschlafen hatte, nicht wusste, wo er hingehörte. "Seit ich mich in Hamburg auf den Weg gemacht hatte, war der Entschluss da, es zu tun." Daran ändern auch die wenigen Stunden in der Psychiatrie nichts.