StVO: Hier gelten nicht die gängigen Regeln - stattdessen ist gegenseitige Rücksicht gefordert

Es geht um den Fußweg vom ZOB in Richtung Einkaufscenter. Kurz hinter den Taxiständen kreuzt er die Zufahrt zu dem Oberdeck - und sorgt immer wieder für Verwirrung und Ärger.

"Ich habe Vorfahrt", sagt Hanna Wagner. Ihre Begründung: Fußgänger hätten immer Vorrang. Genau andersherum schätzt Andreas Lucassen die Situation ein: "Rein rechtlich gesehen würde ich vermuten, dass die Autos hier Vorfahrt haben." Wer denn nun - Autos oder Fußgänger? Eine nicht ganz unwichtige Frage, schließlich benutzen täglich zahlreiche Geesthachter und auswärtige Besucher den Weg zwischen der Bushaltestelle und dem Sky-Markt.

"Auf dem Parkplatz gilt laut Beschilderung die Straßenverkehrsordnung und ein Tempolimit von zehn Kilometer pro Stunde", sagt Pressereferentin Sabine Pfautsch von der Unternehmenskommunikation. Schließlich handelt es sich dabei nicht um öffentlichen Raum, sondern um Privateigentum von Sky. "Um den Fußgängern das Überqueren der Zufahrt zum Parkdeck zu erleichtern, haben wir dort gemeinsam mit dem Seniorenbeirat der Stadt Fahrbahnschwellen auf dem Boden aufgebracht, die den Verkehr zusätzlich beruhigen", so Pfautsch weiter. Außerdem sei der Übergang durch abgesenkte Bordsteinkanten kenntlich gemacht.

Aufgrund des Übergangs mit den beiden gelb-schwarzen Schwellen vermutet auch Taxifahrerin Katrin Schuck, dass Fußgänger Vorrang haben. "Sie sind ja auch die schwächsten Verkehrsteilnehmer." Doch das würde nicht jeden Autofahrer interessieren. Schuck: "Ich wundere mich, dass dort nicht ständig Unfälle passieren."

Passantin Annabell Chojnacki sieht eher in den abgesenkten Bordsteinen einen Hinweis darauf, dass hier ein Fußgängerüberweg ist und Autos deswegen warten müssen. Sowohl Chojnacki als auch Schuck halten jedes Mal aus Rücksicht an.

Und was ist nun richtig? Und vor allem warum? "Rücksicht ist schon einmal gut", sagt Torben Heuer, Sprecher der Stadt Geesthacht. Allerdings seien der Verweis auf die Straßenverkehrsordnung ebenso wie das Verkehrsschild "Hier gilt die StVO" an der Einfahrt zwar korrekt, aber teilweise auch irreführend. "Es ist ein Parkplatz, da gibt es keine Vorfahrtsregeln", so Heuer. Der Grund: Die Vorfahrtsregeln sind im Paragrafen 8 der StVO definiert. Doch der Paragraf bezieht sich nur auf Straßen und Einmündungen. Parkplätze sind davon nicht betroffen. Heuer: "Wenn Paragraf 8 nicht greift, kommt Paragraf 1 zur Geltung." Dieser lautet: "Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird."

Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Vorfahrtsregelung, sondern auch auf die gesamte Verkehrsführung auf einem Parkplatz. Aufgemalte Fahrspuren oder Richtungspfeile seien demnach nicht verpflichtend, sondern als Empfehlungen zu verstehen. Die Konsequenz für den Sky-Parkplatz: Ein generelles Vorfahrtsrecht lässt sich auf dieser Grundlage nicht ableiten. Doch das Prinzip der Rücksichtsnahme gilt nicht nur für Autofahrer. Auch Fußgänger und Fahrradfahrer müssen darauf achten, dass sie keine Gefahr für sich und den Straßenverkehr darstellen.