Urteil: Vermutlich muss auch das Zwischenlager in Krümmel nachgerüstet werden

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig gab der Klage eines Anwohners gegen die 2003 erteilte Genehmigung aus Sicherheitsbedenken statt. Der Kläger hatte Gefahren durch mangelnden Schutz vor terroristischen Angriffen befürchtet. Auch wenn das Urteil nicht auf das Kernkraftwerk Krümmel übertragen werden kann, hat die höchstrichterliche Entscheidung dennoch Konsequenzen für den Standort am Elbufer, wie die Geesthachter Atomkraftgegnerin Bettina Boll betont.

"Die Standortzwischenlager in Geesthacht und Brunsbüttel sowie in Brokdorf sind absolut baugleich", sagt Bettina Boll, die für die Grünen in der Geesthachter Ratsversammlung sitzt. "Obwohl damit auch in Geesthacht die gleichen Sicherheitsbedenken gelten, ist das Urteil nicht übertragbar. Das klingt paradox, aber für jeden Standort muss einzeln geklagt werden. Die Bedenken bleiben", sagt Boll. Sie war gemeinsam mit ihrem Mann gegen das Standortzwischenlager in Krümmel vor Gericht gezogen - angesichts der über 25 000 Euro Prozesskosten, verzichtete sie 2007 nach einer Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht aber auf eine Revision. Somit ist ihre Klage rechtskräftig abgewiesen. "Jetzt haben wir die Bestätigung erhalten, dass wir Recht hatten. Wir hätten gern das ganze Geld für die Prozesse zurück - für die Menschen, die uns unterstützt haben", so Boll. "Besonders interessant ist auch, dass genau der Richter, der 2007 unsere Klage abgeschmettert hatte, jetzt das neue Urteil in Schleswig gesprochen hat."

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit mehreren Ermittlungs- und Bewertungsdefiziten der Genehmigungsbehörde. So habe es das Bundesamt für Strahlenschutz versäumt, die Folgen eines Absturzes eines Großflugzeugs vom Typ Airbus A380 auf das Zwischenlager vor der Genehmigungserteilung zu ermitteln, obwohl die erforderlichen Daten vorgelegen hätten. Auch sei bei der Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen nur ein älterer Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden.

Betreiber Vattenfall hatte diese Defizite offenbar erkannt, betont Boll, denn vor drei Jahren habe man die Zwischenlager bereits baulich nachgerüstet - auch in Krümmel. "Ich gehe davon aus, dass jetzt als Konsequenz aus diesem Urteil weitere bauliche Sicherungen folgen. Und wenn das Zwischenlager in Brunsbüttel nachgerüstet wird, kommt man auch in Krümmel nicht darum herum", betont Boll.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sieht nach dem Aus für die Genehmigung des atomaren Zwischenlagers in Brunsbüttel keine atomrechtliche Konsequenz für die bereits eingelagerten neun Castoren, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Die Atomaufsicht werde aber sorgfältig prüfen, was das Urteil für diese Behälter bedeute. "Wir erwarten, dass das Bundesamt für Strahlenschutz nach Vorliegen des schriftlichen Urteils dieses schnell bewerten und gebotene Schlussfolgerungen ziehen wird", sagte Habeck. Der Minister räumte ein, das Urteil könne sich auch auf die Diskussion um das Endlagersuchgesetz auswirken. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Eka von Kalben, forderte einen früheren Atomausstieg: "Das AKW Brokdorf darf nicht wie vorgesehen bis 2021 weiterlaufen. Jedes Kilogramm zusätzlicher Atommüll ist zu viel."