Vattenfall hat Antrag gestellt. Gegner rüsten sich für Protestaktionen vor dem Werksgelände.

Die Nachbarschaft hat bereits Post von Vattenfall erhalten. Gestern hat der Energiekonzern bei der Atomaufsichtsbehörde im Kieler Sozialministerium das Wiederanfahren der Atomkraftwerks Krümmel beantragt. In wenigen Tagen soll der Reaktor in Betrieb gehen. Atomkraftgegner rüsten sich für Protestaktionen.

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren war das AKW nach dem Trafobrand und einer Schnellabschaltung vom Netz gegangen. Im Zuge der Überprüfung der Brandursache waren dann ständig neue technische Probleme (Risse in Armaturen, falsche Dübel) aufgetaucht und hatten die Inbetriebnahme bis heute verzögert. Doch nun sei der Reaktor anfahrbereit.

"In den vergangenen zwei Jahren wurden rund 200 technische Änderungen zur Anlagenverbesserung und Instandsetzung durchgeführt. Auch in den Bereichen Organisation und Administration wurde Krümmel optimiert, zum Beispiel durch die Einführung der Drei-Wege-Kommunikation auf der Kraftwerkswarte, dem Leitstand", bilanzierte Ernst Michael Züfle, Geschäftsführer der Vattenfall Europe gestern. Laut Kraftwerksleiter Hans-Dieter Lucht wurden in diesen zwei Jahren 6000 Arbeitsaufträge erledigt. Die Kosten: rund 300 Millionen Euro.

Wegen der technischen Veränderungen soll der Reaktor langsam angefahren werden. Lucht: "Das ist ein Prozess, der sich über mehrere Tage erstreckt. Reaktordruck und Temperatur werden langsam gesteigert, bevor die Turbine hochgefahren und der Generator ans Netz geschaltet wird." Dabei werden viele Funktionsprüfungen vorgenommen, die während des Stillstands nicht durchgeführt werden könnten. Lucht: "Wir werden während des Wiederanfahrens etwa 60 umfangreiche Prüfprogramme, insbesondere für Ventile, Pumpen, aber auch für Schutzeinrichtungen und andere Systemteile starten", so der Kraftwerksleiter. Falls dabei Funktionsstörungen aufträten, würden diese vor Aufnahme der Stromproduktion beseitigt.

Frühestens am vierten Tag nach Beginn wird der laut Vattenfall weltweit leistungsstärkste Siedewasserreaktor Hundert Prozent Leistung (1346 Megawatt) erreichen. Das Kraftwerk kann jährlich mehr als zehn Milliarden Kilowatt Strom produzieren, das entspricht etwa 30 Prozent der insgesamt in Schleswig-Holstein erzeugten Strommenge.

Bevor das Kraftwerk wieder angefahren wird, will die Atomaufsichtsbehörde noch abschließende Stellungnahmen externer Gutachter einholen und die von Vattenfall vorgelegte Dokumentation prüfen lassen.

Die vom Sozialministerium geforderte Audio-Überwachung wird dagegen später eingeführt. Laut Konzernsprecherin Barbara Meyer-Bukow sei der Bauantrag gestellt. Allerdings gehe es zunächst noch darum, die Modalitäten und Datenschutz der Auswertung der aufgezeichneten Gespräche auf der Kraftwerkswarte zu klären. Die Schadensbilanz für Krümmel und Brunsbüttel, das am gleichen Tag wie der Geesthachter Meiler vom Netz ging, beläuft sich für den schwedischen Staatskonzern Vattenfall auf eine Milliarde Euro.