Geesthacht. Damit es im Kopf klick macht, brauchte Jens-Uwe Brodersen einen Schuss vor den Bug. Den erlebte er Ende 2007, damals wog der heute 50-Jährige 190 Kilo. “Ich spürte plötzlich einen Schmerz unter dem Brustbein. Da musste ich sofort an meinen Vater denken, der hatte an seinem 60. Geburtstag einen Herzinfarkt“, erzählt der 60-Jährige. Eigentlich wusste er es schon immer. Doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass starkes Übergewicht ein wesentlicher Risikofaktor für Herzkrankheiten ist.

Trotz medizinischer Fortschritte: Alle Wege zum Abnehmen führen über den Kopf.

Doch was tun? Ob Diät oder Fitness - bisher hatte er den Kampf gegen die Kilos immer verloren. Von einem Bekannten erfuhr Brodersen dann vom Adipositaszentrum am Johanniter-Krankenhaus Geesthacht - und saß kurz darauf in der Sprechstunde von Chefarzt Dr. Frank Templin. Im Erstgespräch ging es um Gewohnheiten, Ernährung und Bewegung. Zu einem zweiten Termin kam die Ehefrau des Ratzeburgers mit. Das Ziel: Den Patienten kennenlernen, Gründe für den Hang zum Übergewicht herausfinden. Schließlich entschied der Chefarzt sich für einen chirurgischen Eingriff - den sogenannten Magenbypass. Dieser verkürzt bei Brodersen vereinfacht gesagt den Weg der Nahrung durch den Darm und hilft bei der Gewichtsreduktion.

Vier Monate nach dem Eingriff wiegt Brodersen 35 Kilo weniger, und er verliert weiter an Gewicht. "Mit jedem Kilo, das runter ist, werde ich mobiler. Früher war ich nach einem kurzen Spaziergang mit den Hunden fertig. Heute laufe ich 90 Minuten im strammen Tempo." Neben der Bewegung ist auch die gesunde Ernährung zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden. "Ich esse regelmäßig - nur auf die richtigen Mengen kommt es an", erzählt Brodersen. Am meisten gefällt ihm, dass er ohne sofort aus der Puste zu kommen mit seinem fünfjährigen Sohn Fußball spielen kann.

Doch trotz aller positiven Erfahrungen: Der chirurgische Eingriff ist immer nur das letzte Mittel im Kampf gegen die Pfunde. "Viele Patienten kommen in die Sprechstunde und wollen sofort operiert werden. Die muss ich enttäuschen", sagt Templin. Denn im Adipositaszentrum geht es darum, interdisziplinär mit den Patienten am Gewicht zu arbeiten. So führen sie Gespräche mit einer Psychologin, Ärzten sowie Diätassistenten. "Es geht immer darum, den Patienten ein Angebot zu machen. Denn nur zwei Prozent der Menschen mit krankhaftem Übergewicht schaffen es von selbst, dauerhaft Gewicht zu reduzieren. Hilfe bietet beispielsweise eine Adipositasgruppe, in der sich Betroffene mit Experten austauschen können.

Das Gerücht, dass man mit einem Magenband das Problem Übergewicht schnell und völlig ohne Mühe lösen kann, muss Templin dagegen oft zerstreuen. "Nur rund zehn Prozent der Menschen, die zu uns kommen, werden operiert", so Templin. Schließlich sei der Eingriff auch mit hohen Risiken verbunden, zum anderen mache es kein Sinn, wenn die Patienten nicht gleichzeitig bereit sind, auch ihr Verhalten zu ändern. "Ansonsten kann es passieren, dass man trotz Magenbypass oder Magenband kein Kilo abnimmt", sagt Templin. Das führe zu Frust.

Schafft das Team des Krankenhauses es dagegen, Übergewichtige dauerhaft zu motivieren, sind die Erfolge groß: Herzkrankheiten kann effektiv entgegen gewirkt werden, auch Diabetes lässt sich Vorbeugen. Eine Erfahrung, die auch Brodersen gemacht hat: Vor seiner Behandlung lag sein Blutzucker im kritischen Bereich. Seit er abnimmt, hat sich der Wert halbiert. "Ich fühle mich einfach gut", sagt der 50-Jährige.

* "Risiko Übergewicht" lautet das Thema eines Patientenforums, zu dem das Johanniter-Krankenhaus am Mittwoch, 21. Januar, einlädt. Ab 18 Uhr informieren Ärzte, Diätassistenten und Psychologen über das Adipositaszentrum am Johanniter-Krankenhaus und die Möglichkeiten, wie man bei krankhaftem Übergewicht abnehmen kann.