Neu Wulmstorf. Durch A26 hat Verkehr deutlich zugenommen. Ausgerechnet Anwohner einer beruhigten Straße leiden unter dem Lärm. Was genau ihn auslöst.

Heino Köster lebt seit mehr als 60 Jahren an der Bahnhofstraße in Neu Wulmstorf. Er zog nach der großen Sturmflut aus Neuenfelde dorthin, hat sich mit eigenen Händen nicht nur ein Haus für seine Familie, sondern dahinter auch ein kleines Paradies geschaffen: mit großem Teich, kleiner Brücke und Gartenhäuschen.

Hier war der Malermeister meistens glücklich, hat die Transformation der Bahnhofstraße von einer Dorfstraße zur Haupteinkaufsmeile miterlebt. Kösters Wohnhaus gehört zu den wenigen übriggebliebenen Einfamilienhäusern an der Straße, die ansonsten durch eine eher gesichtslose mehrstöckige Bebauung mit Wohnungen, Praxen und Geschäften geprägt ist.

Verkehrsberuhigung in Neu Wulmstorf: „Nachts wirkt das Bum-bum wie Folter“

Baulärm, Verschattung, reichlich neue Nachbarn und sehr viel mehr Verkehr: Heino Köster hat all das mitgemacht und nie gemeckert. Doch jetzt reicht es dem ansonsten fröhlichen und friedlichen Senior. Denn seit der Umgestaltung der Bahnhofstraße zu einer verkehrsberuhigten Tempo-20-Zone macht der 79-Jährige kein Auge mehr zu.

Seither raubt ihm der „Doppel-Wumms“ den Schlaf: „Jedesmal, wenn ein Auto über die neuen Querungshilfen fährt, gibt es zweimal ein lautes Geräusch. Nachts ist es so schlimm, dass ich ab vier Uhr nicht mehr schlafen kann“, sagt Köster. Er fordert: „Die Lärmrinnen müssen weg!“

Heino Köster (rechts) und Lothar Heinemann zeigen auf den Übergang zu den Pflastersteinen, der den Lärm verursacht.
Heino Köster (rechts) und Lothar Heinemann zeigen auf den Übergang zu den Pflastersteinen, der den Lärm verursacht. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Auch am Tag ist deutlich zu hören, was er meint: Bei jedem Fahrzeug, das über die neuen Aufpflasterungen an den Querungshilfen fährt, kracht es doppelt. „Am Tag ist das auch nicht grad angenehm, aber dann lenken die übrigen Geräusche von der Lärmbelästigung ab“, sagt der Malermeister, der viele Jahrzehnte einen eigenen Betrieb führte. „Aber besonders nachts und morgens wirkt das Bum-Bum wie Folter.“ Auch Mitarbeiter in den Geschäften hätten sich darüber schon beschwert: „Sie können ihre Türen kaum noch offenstehen lassen“, meint Köster.

Reaktionen aus dem Rathaus waren „enttäuschend“

Er und sein Nachbar Lothar Heinemann, der seinen Wintergarten wegen der Lärmbelästigung kaum noch nutzen mag, haben sich mit ihrem Problem bereits vor Monaten ans Rathaus gewandt. „Die Reaktionen waren ziemlich enttäuschend. Wir haben bis heute nichts Konkretes gehört“, sagen die Anwohner. Deshalb gehen sie jetzt an die Öffentlichkeit und wollen ihrem Anliegen zudem mit einer Unterschriftenliste mehr Gewicht verleihen. „Es ist doch skurril und nicht hinnehmbar, dass eine Verkehrsberuhigung zur Lärmbelästigung für die Anwohner wird“, sagt Lothar Heinemann.

Die aufwendige Maßnahme hatte vor einem Jahr für eine monatelange Sperrung der Bahnhofstraße gesorgt. Hauptziel der durch EU-Mittel geförderten Umbauten war es, dem Fußgänger- und Radverkehr mehr Platz einzuräumen und gleichzeitig den Durchgangsverkehr aus der Bahnhofstraße zu verdrängen.

Auch Autofahrer hören den Doppel-Wumms deutlich

Die Tempo-20-Zone soll für mehr Sicherheit sorgen und den Verkehr von der A26 aus dem Zentrum heraushalten – was angesichts des hohen Verkehrsraufkommens bisher eher nicht so gut geklappt hat. Laut Prognosen sind es aktuell 14.000 Kraftfahrzeuge am Tag und somit rund 2500 mehr als vor der Eröffnung der A26, die in Neu Wulmstorf endet.

Die Tempo-20-Zone in der Bahnhofstraße wird an beiden Seiten durch auffällige Eingangstore gekennzeichnet. Die neue Aufpflasterungen, die für den „Doppel-Wumms“ sorgen, sollen zusätzlich auf den besonderen Verkehrsbereich hinweisen. Auch Autofahrer hören ihn deutlich, wenn sie über die Querungshilfen mit den roten Zonen fahren. Aus dem Rathaus heißt es, dass das so gewollt sei, um die Autofahrer auf die spezielle Verkehrssituation aufmerksam zu machen.

Beim Überfahren der Querungshilfen kracht es beim Rauf- und Runterfahren jeweils zweimal.
Beim Überfahren der Querungshilfen kracht es beim Rauf- und Runterfahren jeweils zweimal. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Rathaus sieht keinen aktuellen Handlungsbedarf

Im Rathaus sind die Beschwerden der Anwohner über die Lärmbelästigung bekannt, wie Ordnungsamtsleiter Steffen Matthees dem Abendblatt bestätigte. Kurzfristige Umbaumaßnahmen schloss er aber aus. „Wie laut es wird, ist eine Frage der Geschwindigkeit, mit der die Autos über die Querungshilfen fahren“, sagt Matthees.

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Würden sie sich alle an die Vorschrift halten, gebe es das Problem für die Anwohner in dieser Form nicht. Deshalb werde die Gemeinde erst einmal baulich nichts an den Querungshilfen verändern, sondern stattdessen auf Geschwindigkeitsmessungen mit mobilen Blitzanhängern setzen.

Weniger Verkehr, mehr Lärm: Jeden Abend wird das Fenster verbarrikadiert

Dafür ist allerdings der Landkreis und die Polizei zuständig. „Das Klacken stört bestimmt“, räumt der Ordnungsamtsleiter ein. „Ich denke, das größte Problem ist, dass sich der Lärm für die Anwohner verändert hat. Das Geräusch ist ungewohnt.“ Die Gemeinde habe bei Messungen aber keine Werte festgestellt, die ein Handeln erforderlich machten.

Lothar Heinemann und Heino Köster wollen sich damit nicht abfinden und für eine Verbesserung der Situation kämpfen. Bis dahin muss Heino Köster weiterhin jede Nacht seine selbstgebaute Konstruktion aus einer Holzplatte und einer dicken Styroporschicht vor sein Schlafzimmerfenster montieren – in der Hoffnung, den Neu Wulmstorfer Doppel-Wumms etwas erträglicher zu machen. Vor dem Umbau der Bahnhofstraße hat der rüstige Rentner gern bei offenem Fenster geschlafen. „Das kann ich jetzt komplett vergessen“, sagt er.