Horneburg. In der Erlebnis-Manufaktur direkt am Horneburger Bahnhof fertigen Vater und Tochter seit einem Jahr regionale Brände, Whiskey und Gin.

Wenn Handwerk auf Obst trifft, kommt bei den Weßels etwas ziemlich Edles heraus. Vor fast einem Jahr eröffnete die Familie ihre Edelbrennerei Nordik direkt am Horneburger Bahnhof.

In dem alten Güterschuppen, Baujahr 1950, der zehn Jahre leer stand und aufwendig saniert wurde, werden jetzt Spirituosen gebrannt, Familienfeste gefeiert und die Schnäpse aus der eigenen Manufaktur verkauft. Auch Workshops können hier von Interessierten gebucht werden – unter der Leitung von Lea Weßel, die mit 22 Jahren gerade ihren Destillateur-Meister macht. Die Liebe zu ihrem Handwerk verbindet Vater und Tochter seit Jahren.

In Buxtehude brennt Weßel, bis das Werk 2011 dicht macht

Zum Schnapsbrennen ist Inhaber Arndt Weßel über Umwege gekommen. „Ich habe nach der Schule eine Tischlerlehre gemacht und wollte danach eigentlich Ingenieur werden. Während ich auf einen Studienplatz wartete, jobbte ich nebenbei in einer Spirituosenmanufaktur. Als ich endlich ich den Platz an der Uni hatte, fragte mich der Inhaber der Manufaktur, ob ich nicht Lust hätte, seine Firma zu übernehmen“, erzählt der 56-Jährige. Der frisch gebackene Tischler lässt den Studienplatz sausen und beginnt mit 20 Jahren eine zweite Ausbildung zum Destillateur, weil ihn die Liebe zum Brennen gepackt hat.

Zur Übernahme der Spirituosenmanufaktur kommt es am Ende doch nicht. Weßel verdient seine Brötchen bei verschiedenen Firmen in Deutschland als Destillateur-Meister, bis er schließlich bei dem Unternehmen Malteserkreuz in Buxtehude landet. Hier brennt er unter anderem den berühmten Aquavit. 2011 macht das Werk dicht. Ein Angebot, nach Paris zu gehen und dort in die Pernod-Produktion einzusteigen, schlägt er aus.

„Ich bevorzuge doch die alte Handwerkskunst und das hohe Maß an Handarbeit. Das ist eher meins“, sagt Lea Weßel. Mit 19 Jahren ist sie im Moment ihres Abschlusses Deutschlands jüngste Destillateurin.
„Ich bevorzuge doch die alte Handwerkskunst und das hohe Maß an Handarbeit. Das ist eher meins“, sagt Lea Weßel. Mit 19 Jahren ist sie im Moment ihres Abschlusses Deutschlands jüngste Destillateurin. © HA | Rachel Wahba

Der Wahl-Ahlerstedter mietet sich 2012 in Jork auf einem Obsthof ein und macht sich mit seiner kleinen Brennerei Nordik selbstständig. Im Brennkessel landet – was sonst - Obst aus dem Alten Land. Die Qualität der edlen Tropfen aus Weßels Brennkesseln spricht sich herum. Die Brennerei auf dem Obsthof wird langsam zu klein, und Tochter Lea, die immer wieder in den Ferien in Papas Brennerei aushilft, findet Gefallen an dem Handwerk.

Lea Weßel macht mit 19 ihren Abschluss zur Destillateurin

„Langsam wurde klar, dass wir eine größere Location brauchten, auch weil Lea irgendwann mit einsteigen wollte. Und auf dem Obsthof hatten wir keine Option, zu erweitern“, sagt Arndt Weßels. 2020 wird Leas Abschluss als jüngste Destillateurin in Deutschland gefeiert. Sie ist da gerade 19 Jahre alt. In der Ausbildung macht sie in Brennereien in ganz Deutschland Praktika. „Es ist immer gut, über den Tellerrand zu blicken und nicht nur die eigene Brennerei zu kennen“, sagt sie.

Inzwischen sucht Familie Weßel aktiv eine neue Bleibe und kommt durch Zufall auf das alte Gebäude in der Bahnhofstraße 4 in Horneburg am Bahnhof. Platz, um Arndt Weßels Traum einer echten Erlebnis-Brennerei zu erfüllen, ist jetzt da. Der absolute Pluspunkt der Location: Niemand muss nach einer Schnaps-Verkostung den Führerschein riskieren. Die S-Bahn hält direkt vor der Tür.

Nach der Ausbildung geht´s nach Irland in eine Brennerei

Die Sanierungsarbeiten gestalten sich aufwendig, auch weil die neue Brennerei barrierefrei sein soll. Organisations-Kauffrau Elke Weßel, ebenfalls wichtiger Teil des Familienunternehmens, behält den Blick für das große Ganze.

Die Brennerei liegt direkt am Horneburger Bahnhof – wer zur Gin-Probe kommt, nimmt einfach die Bahn.
Die Brennerei liegt direkt am Horneburger Bahnhof – wer zur Gin-Probe kommt, nimmt einfach die Bahn. © HA | Rachel Wahba

Nach der Ausbildung geht Lea nach Irland. „Dort habe ich ein Jahr lang in der Waterford Destillery gearbeitet und sehr viel lernen können“, so Lea Weßel. In der Waterford Destillery wird seit 1792 Whisky gebrannt. Die Brennerei in der Nähe von Cork liegt in der südlichsten Provinz Irlands. Gefallen, sagt Lea Weßel, habe es ihr in Irland sehr, allerdings sei die Produktion dort für ihren Geschmack zu industriell. „Ich bevorzuge doch die alte Handwerkskunst und das hohe Maß an Handarbeit. Das ist eher meins“, sagt sie. 2021 kommt die junge Destillateurin zurück in den Landkreis Stade. Da sind Sanierung und Umbau in Horneburg schon fast abgeschlossen.

In den Seminaren brennen die Teilnehmer ihren eigenen Gin

Anfang des Jahres 2022 sind die Bauarbeiten im alten Güterschuppen abgeschlossen. Und im April feiern die Weßels Eröffnung ihrer Nordik Erlebnisbrennerei. Das Ergebnis der Sanierung kann sich sehen lassen. Auf drei Etagen werden edle Spirituosen gebrannt, abgefüllt, aus dem Regal verkauft, für den Online Handel verpackt und – für Besucher am wichtigsten – in stilvoller Atmosphäre verkostet. Auf Rundgängen zeigen die Weßels ihren Gästen die Brennerei mit den auf Hochglanz polierten Brennkesseln und das Fasslager. Bei den Whisky-Tastings lernen die Gäste Interessantes über Herstellung und Zutaten. In den Seminaren brennen die Teilnehmer ihren eigenen Gin in kleinen Destillen.

Handwerk bis zum Schluss: Bevor die Nordik-Spirituosen in den Handel gehen, werden die Flaschen mit der Hand etikettiert.
Handwerk bis zum Schluss: Bevor die Nordik-Spirituosen in den Handel gehen, werden die Flaschen mit der Hand etikettiert. © HA | Rachel Wahba

Zum Abschluss des Seminars gibt es noch eine Cocktail-Schulung. Die Weßels bieten Firmen- und Familienfeiern in ihrer Edelbrennerei am Horneburger Bahnhof an. Auch wenn Horneburg nicht direkt zum Alten Land gehört, die Qualität der Produkte aus der Edelbrennerei am Bahnhof macht auch in Touristik-Kreisen die Runde. Immer mehr Bustouren durch das Alte Land machen Station am Horneburger Bahnhof. Arndt Weßel: „Wir stellen fest, dass immer mehr Touristen den Weg zu uns finden und dann auch von zu Hause aus online bei uns bestellen.“

Auch Aquavit zum Grillen muss aus eigener Herstellung sein

In den Brennkesseln im alten Güterschuppen landet alles, was im Alten Land an Obst wächst. Und welche hochprozentigen Genussmittel aus der Weßelschen Brennerei mag der Senior-Chef am liebsten? „Das kommt ganz auf die Jahreszeit an. Mal gehören unsere Eierliköre, wir stellen fünf verschiedene Sorten her, zu meinen Lieblingsschnäpsen. Aber im Moment ist mein absoluter Favorit unser erster achtjähriger Whisky, den wir gerade abfüllen“, erklärt Arndt Weßel. Zum Frühling hin bevorzuge er einen fruchtigen Limes, „und wenn wir im Sommer den Grill anschmeißen, kann es auch mal ein Aquavit sein“. Und auch der Aquavit muss natürlich aus eigener Herstellung sein.

Die Horneburger Destillateure setzen bei der Herstellung ihrer Hochprozentigen zu 100 Prozent auf lokale Produkte. Auch bei der Namensgebung spielt in der Edelbrennerei eine gehörige Portion Lokalpatriotismus eine Rolle. Im August 2020 füllten die Horneburger Destillateure zum ersten Mal ihren „Elbe-Valley Whisky“ ab, „mittellang und ölig“ im Abgang. Im Sortiment finden sich auch ein „Buxtehuder Gin“ oder der „Olland Herbstprinz-Gold“, ein Obstbrand, selbstredend auf Basis der Altländer Apfelsorte Herbstprinz.

Beim Kunst- und Handwerkermarkt im April ist Nordik mit dabei

Auch bei allen Events setzt Arndt Weßel auf lokale Strukturen, lokale Erzeugnisse, lokale Netzwerke und natürlich auf lokales Handwerk. Am 15. und 16. April, beim „Handmade“ Kunst- und Handwerkermarkt in Horneburg, ist die Horneburger Edelbrennerei Nordik auch dabei. An diesem Wochenende zeigen Handwerker aus der Region ihre Kunst auf dem Gelände rund um den alten Güterschuppen. „Natürlich freuen wir uns auch auf viele Gäste aus Hamburg, die bequem mit der S-Bahn hier an- und abreisen können“, sagt Arndt Weßel.