Itzenbüttel. Ein Fachwerkhaus unter alten Eichen, umgeben von Scheunen, Ställen, einem Backhaus und schmucken Häuslingshäusern, in denen früher das Gesinde wohnte: Auf dem Minkenhof im Jesteburger Ortsteil Itzenbüttel scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Intakte Ensemble wie den Minkenhof, der seit Generationen in Familienbesitz ist und schon im Jahr 1450 als einer von drei Vollhöfen in Itzenbüttel erstmals urkundlich erwähnt wird, sind selbst in der Heide selten geworden. Noch immer betreibt Hofbesitzer Jan Meyer hier Landwirtschaft. Aus Überzeugung und mit Leidenschaft. Damit der Hof auch in Zukunft bestehen kann, hat er investiert: Hinter der idyllischen Fassade des Anwesens versteckt sich eine Hightech-Heizanlage, die ihresgleichen sucht und den Minkenhof ein Stückchen weit autark macht.
„Wir brauchen jetzt nur noch Strom, die Wärme produzieren wir selbst“, verrät Jan Meyer. Dafür hat er mit seiner Lebensgefährtin Britta Derboven und deren Sohn Marc-Philipp Gülstorf hart gearbeitet. Jetzt ist das Minkenhof-Team stolz auf das Erreichte. Der 48-jährige Meyer, der den Hof vor 15 Jahren von seinen Eltern übernommen hat, ist ein Landwirt, dem Unabhängigkeit wichtig ist.
Auf dem Minkenhof soll nichts umkommen. Das Ziel sind geschlossene Kreisläufe
Schon bald nach der Übernahme stellte er den Betrieb auf Bio um und verkauft seither erfolgreich Kartoffeln, Weihnachtsbäume und Eier aus mobilen Ställen, vor denen die Hühnerschar – gut bewacht von abwehrbereiten Hähnen – frisches Grün pickt und beim Eierlegen ganz ihrem eigenen Rhythmus folgt. Minkenhof-Eier finden sich seit Neuestem auch in Nudeln frisch vom Hof. Die geschlachteten Althühner landen nicht etwa als Billigfleisch in der Sonderangebotstheke eines Supermarkts. Sondern werden von einem Biohersteller zu feinsten Eintöpfen verarbeitet. Auf dem Minkenhof soll nichts umkommen. Das Ziel sind geschlossene Kreisläufe.
Vor Kurzem hat Bauer Meyer begonnen, Buchweizen auszusäen, der schon im 18. Jahrhundert eine Hauptnahrungsquelle der Heidjer war und jetzt den Hühnern als eiweißreiches Futter dient. Auch Sonnenblumen baut Meyer an und verkauft sie an einen Betrieb, der daraus Öl herstellt. Immer wieder sucht und findet das Team neue Wege, um die natürlichen Ressourcen noch besser zu nutzen. Selbstständiger Direktvermarkter zu bleiben ist Meyer wichtig. Da macht er keine Kompromisse: „Wir entscheiden, wo und wie unsere Produkte verkauft werden.“
Inflation mit ihren Folgen macht auch dem Biohof zu schaffen
Doch wie allen Biobauern macht die Inflation mit ihren Folgen dem Biohof zu schaffen: „Die Leute sparen am Essen.“ Auch bekommt Meyer immer neue Auflagen, wie er seinen eigenen Grund und Boden bewirtschaften soll. Und dann auch noch die Energiekrise, in der der Minkenhof, auf dem neun Gebäude beheizt werden müssen, lange als „Heizölvernichter“ dastand. Doch das ist nun Vergangenheit. Die Hightech-Hackschnitzel-Heizanlage läuft seit Dezember 2020 und macht alle Räume mollig warm. Sie wird mit dem befeuert, was auf dem Hof so anfällt: Baum- und Strauchschnitt von der Pflege der Feldränder, dem einen oder anderen zu groß oder zu krumm gewachsenen Weihnachtsbaum, Bruchholz von den Hofeichen und aus den Wäldern des Gehöfts. „Für unsere Heizanlage ist noch kein einziger Baum extra gefällt worden“, sagt Meyer. Dass trotzdem immer genug „garantiert vegane Schnitzel“ da sind, dafür sorgt ein Lohnunternehmer, der einmal im Jahr mit einem Riesenschredder vorfährt, um Holz zu handlichem Heizmaterial zu verarbeiten.
Eigenes Haus aus Holz um die Heizungsanlage gebaut
Damit die High Tech-Heizanlage störungsfrei laufen kann, hat Meyer ein eigenes Haus aus Holz drumherum gebaut. Dies in engster Abstimmung mit dem Landkreis Harburg, denn der gesamte Minkenhof steht unter Denkmalschutz. „Das ist nicht gerade ein Segen“, kommentiert Meyer. Die Gebäude zu erhalten sei schwierig und sehr kostenintensiv. „Das ist wie mit einem alten Baum. Jeder findet ihn schön, doch keiner will ihn haben“, so der Landwirt. Die Planungen für das Holzhaus verliefen nicht ganz reibungslos. Denn Meyer weigerte sich, einen schlichten Zweckbau zu errichten. „Es hätte nicht zur Hofstelle gepasst“, sagt der Hofbesitzer. Er baute schließlich ein Holzhaus, so wie seine Vorfahren es wohl auch schon getan hätten. Im Giebel die stolze Inschrift: „Heizhuus – Anno 2020“.
Dass diese mutige Investition mit „nur“ 350.000 Euro zu Buche geschlagen hat, ist dem Sohn von Meyers Lebensgefährtin Britta Derboven zu verdanken: Marc-Philipp Gülstorf ist in doppeltem Sinne Fachmann. Er hat Zimmermann gelernt und ist außerdem Bauingenieur. In seinem Berufsleben arbeitet der 31-Jährige als Bauleiter für Fachwerkbauten bei einem Winsener Unternehmen. In das Hackschnitzelprojekt hat er viel Zeit investiert. „Ich habe Ferien auf dem Bauernhof gemacht“, kommentiert er lächelnd.
Am schwierigsten, so Gülstorf, war die Auswahl der Heizanlage. Von allen Seiten holte das Bauteam Gülstorf, Derboven und Meyer Angebote ein, besuchte Messen, sah sich Anlagen vor Ort an. Im April 2020 ging es schließlich los, schon ein halbes Jahr später war alles fertig. „Bis auf die Elektrik und die Installation der Heizanlage haben wir vom Boden bis zum First alles selbst gemacht“, so Gülstorf stolz.
Ziel: möglichst effektive Ausnutzung des Heizkraftpotenzials
An der Rückwand des neuen Holzhauses öffnen sich treckerhohe Tore zu einem Hackschnitzel-Lager, dem Holzbunker, auf dessen Grund eine Metallschnecke rotiert und selbsttätig das zerkleinerte Holz in einen Schacht schaufelt. Im benachbarten Heizungsraum werden die Schnitzel direkt in den Heizkessel eingespeist, ein viereckiger Klotz mit viereinhalb Metern Länge, zwei Metern Höhe und anderthalb Metern Breite. Im Kessel wird das Holz auf einem Stufenrost, einer Art Rolltreppe, durch mehrere Ebenen geleitet, bis es am Grund des Heizkessels vollständig in Flammen aufgeht. Ziel der Stufenrost-Führung ist die möglichst effektive Ausnutzung des Heizkraftpotenzials der natürlichen Ressourcen.
Die Anlage liefert 200 Kilowatt. Das Glasfenster, durch das die Flamme im massiven stählernen Kessel sichtbar wird, lässt ahnen, wie heiß es in dem Kessel ist: Bei 650 Grad liegt die Temperatur. Das verbrannte Holz wird automatisch in die Aschebox gefüllt. Feiner dunkelgrauer Staub, der gerade mal den Boden der Riesenschublade bedeckt. „Wir leeren diesen Behälter nur alle paar Monate“, sagt Gülstorf, mehr sei nicht nötig.
Feintuning leistet ein Zentralcomputer, an den alle Gebäude angeschlossen sind
Die erzeugte Energie wird weitergeleitet in einen ummantelten Pufferspeicher, der 5000 Liter Wasser fasst. Das heiße Wasser wird durch unterirdische Leitungen je nach individuellem Bedarf in die neun Hofgebäude geleitet, um die Häuser per Wärmetauscher zu beheizen. Das Feintuning leistet ein Zentralcomputer, an den alle Gebäude des Hofes per Internet angeschlossen sind. „Wenn jemand ausgiebig duscht oder ein Bad nimmt und im Hauptspeicher die Temperatur fällt, bekommt der Zentralcomputer sofort ein Signal und fährt die Verbrennung hoch“, erklärt Jan Meyer. Läuft etwas nicht rund, piept das Handy bei Meyer, Derboven und Gülstorf, die dann sofort eingreifen können.
Künstliche Intelligenz, die Rohstoffe sparen hilft. „Wir haben noch einen zusätzlichen Feinstaubfilter eingebaut und die Anlage damit so aufgestellt, dass wir für alle Anforderungen gewappnet sind“, sagt Meyer. Ob das ausreichen wird, um künftige Generationen zur Übernahme des Betriebes zu bewegen? Meyer weiß es nicht. „Wem will man das zumuten?“, fragt er mit Blick auf ständig neue Vorschriften und darauf, dass jeder Urlaub, jeder freie Tag eines Landwirts durch die Beschäftigung von Hilfskräften erkauft werden muss. Ob er sich wirklich einen anderen Beruf für sich vorstellen könnte? Meyer winkt ab, zieht seine Mütze tief ins Gesicht und läuft mit großen Schritten über den Hof, mit dem er, wie Generationen seiner Vorfahren, fest verwachsen ist.
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