Gemeinde Rosengarten. Die großen Findlinge vor dem Nenndorfer Rathaus stehen sinnbildlich für das, was im kommenden Jahr auf Rosengarten zukommt. Es werden große Brocken sein, die die Gemeinde stemmen muss. „2023 wird ein Kraftakt für uns alle“, da ist sich Bürgermeister Dirk Seidler sicher. „Das Jahr, das vor uns liegt, wird kein Leichtes sein. Es kommen weiterhin große Belastungen auf uns zu, die wir nur gemeinsam bewältigen können. 2023 wird kein Jahr des Aufbruchs.“
Der Bürgermeister sitzt am Fenster seines Arbeitszimmers im ersten Stock und schaut auf den gepflegten Vorplatz mit Weihnachtstanne, Bänken und Findlingen. Am dritten Adventswochenende fand hier zum ersten Mal seit Fertigstellung der Anlage vor zweieinhalb Jahren ein großer Weihnachtsmarkt statt. Dirk Seidler ist froh, dass in diesem Jahr – drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie – endlich wieder gemeinsam gefeiert werden konnte.
2022 feierte die Gemeinde Rosengarten ihr 50-jähriges Bestehen
„Wir hatten im August das große Fest zum 50-jährigen Bestehen der Gemeinde Rosengarten. Und jetzt den Weihnachtsmarkt.“ Solche Zusammenkünfte seien wichtig, um den Zusammenhalt in der Gemeinde zu stärken. Und doch sei die Stimmung anders als früher, habe er festgestellt. „Es ist etwas aus den Jahren der Pandemie hängengeblieben. Das Ungezwungene ist weg. Und jetzt kommen die großen finanziellen Belastungen hinzu. Für die Gemeinde und für jeden einzelnen Bürger.“
Für den ehemaligen Kämmerer der Gemeinde Hambühren, der 2014 das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Rosengarten übernahm, geht es 2023 vor allem darum, die Finanzen im Blick zu behalten und mit den Einnahmen und Ausgaben so geschickt zu jonglieren, dass all die großen finanziellen Herausforderungen, die auf die Kommune zukommen, gemeistert werden können. „Eine der großen Aufgaben, die wir meistern müssen, ist die Flüchtlingsunterbringung“, sagt Seidler. „Die Summen, die da auf uns zukommen, kann die Gemeinde nicht allein schultern. Hier müssen Land und Bund zwingend unterstützen.“
40 bis 50 Flüchtlinge pro Woche werden dem Landkreis Harburg zugewiesen
Unterbringungen müssten geschaffen werden, die Versorgung sichergestellt werden. Es brauche Sicherheitspersonal, Brandwache sowie eine breite Infrastruktur rund um die Einrichtungen. Im Dezember waren in der 13.600-Einwohner-Gemeinde 123 ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Hinzu kommen 157 Weltflüchtlinge, von denen 20 anerkannt sind. „2023 wird einiges auf uns zukommen“, sagt Dirk Seidler.
40 bis 50 Flüchtlinge pro Woche sollen dem Landkreis Harburg zugewiesen werden. Daher müssten Kapazitäten ausgebaut und neue geschaffen werden. In Eckel, Nenndorf, Tötensen und Klecken hat die Gemeinde Platz für die Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, aus Äthiopien, Somalia und vielen anderen Ländern geschaffen. Für die ukrainischen Flüchtlinge sollen weitere Unterkünfte aufgebaut werden. Aktuell entsteht auf dem Parkplatz bei der Sporthalle Klecken am Hainbuchenweg eine Unterkunft für 36 Personen. „Es werden kleine Zimmer sein mit Selbstversorgung“, sagt Seidler. In Tötensen ist ebenso eine Einrichtung neben der ehemaligen Deponie geplant für 59 Menschen aus der Ukraine.
Gemeinde muss auch in Unterbringung von Menschen in Not investieren
Zudem muss die Gemeinde nicht nur auf Bedarfe reagieren, sondern auch vorausschauend in die Unterbringung von Menschen in Not investieren, glaubt Seidler. „Die Energiekrise und die allgemein steigenden Kosten machen den Menschen auch in der Gemeinde Rosengarten zu schaffen“, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass wir vermehrt Fälle von Menschen haben werden, die keinen Vermieter finden und auf der Straße leben müssen.“ Für diese müsse zeitnah eine weitere Obdachlosenunterkunft gebaut werden.
Ein weiteres belastendes Thema, dass die Gemeinde 2023 beschäftigen wird, sind die Energiekosten. „Hier müssen wir als Gemeinde etwas tun“, so der Bürgermeister. Bereits heute hätten alle neuen Gebäude Solardächer, das Rathaus werde mittels Wärmepumpe beheizt. Die neu gebaute Kita in Sieversen bekommt ebenfalls Solar sowie Luft- oder Erdwärme. Zudem soll bei allen öffentlichen Gebäuden geprüft werden, ob Solarflächen entwickelt werden könnten. „Wir werden prüfen, ob wir uns als Gemeinde an Energiegenossenschaften und Windparks beteiligen können“, sagt Seidler.
Mögliche Beteiligung an Energiegenossenschaften und Windparks
„Auf diese Weise können wir den Strom, den wir nicht selbst verbrauchen, verkaufen, ohne selbst gewerblich tätig zu werden.“ Zudem unterstützt die Gemeinde private Investoren, die sich für die Schaffung von Energie einsetzen. So soll in Klecken nahe der Autobahn ein Solarwerk entstehen. „Wir begleiten das positiv als privilegiertes Vorhaben im Landesraumordnungsprogramm, weil wir den Bedarf sehen“, sagt Seidler.
Doch nicht nur neue, günstige Energiequellen sollen ausgebaut werden. 2023 muss auch weiterhin Energie gespart werden. In der Verwaltung wird auch künftig die 19-Grad-Regelung gelten, Turnhallen werden nur auf 16 Grad geheizt. Eine Abschaltung der Straßenbeleuchtung, die schon zu 90 Prozent aus LED bestehe, ist aus technischen Gründen allerdings nicht möglich.
Jede Menge Ideen für Energiewende, Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Energiewende, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sollen 2023 in verschiedenen Projekten sichtbar werden. Dafür hat Rosengartens Umweltbeauftragter Friedemann Blaffert mit einem Nachhaltigkeitsteam viele Ideen erarbeitet. Eines davon ist das Repowering der bestehenden Windenergieanlage bei Nenndorf/Iddensen. Sie würden zusammen mit der Biogasanlage Klecken dazu beitragen, dass der Strombedarf in der Gemeinde Rosengarten zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt wird.
Die Gruppe regt außerdem Tempo-30-Zonen auch auf Kreisstraßen an, den Ausbau von Radwegen, den Verleih von Lasten- und Stadträdern sowie den Ausbau von E-Ladesäulen und einem Carsharing-Angebot am Bahnhof Klecken. Bäume und Obstbäume sollen gepflanzt werden, Blühstreifen an Straßen- und Feldrändern sowie auf Freiflächen in Ortschaften angelegt werden.
Trotz eines defizitären Haushalts werden 2023 wichtige Investitionen in der Gemeinde vorangetrieben. Ein Schwerpunkt wird die Sanierung von Straßen sein. Ein weiterer die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen sowie Wohnraum. So soll in Sieversen nicht nur eine neue Kita für fünf Gruppen gebaut werden, sondern auch zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 16 Wohneinheiten. Dafür soll die Fläche an die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft übergeben werden.
Anwohner klagten vor Oberverwaltungsgericht gegen Bebauungsplan
Seidler weiß, wie groß der Bedarf an Wohnungen in der Gemeinde ist. Dennoch sind ihm aber die Hände gebunden. „Wir können als Gemeinde nur steuern, wenn wir eigenes Bauland haben“, sagt er. „Und davon haben wir nicht viel.“ Eine Fläche, die seit Jahren zur Bebauung vorbereitet wird, ist das Gebiet Grotesche Heide am Südwestrand von Nenndorf. Dort möchte die Gemeinde ein Neubaugebiet für zirka 75 Wohneinheiten – überwiegend Einfamilienhäuser – schaffen. Doch das Projekt verzögert sich, weil Anwohner geklagt hatten.
Ende 2021 erklärte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan für die fünf Hektar große Fläche zwischen Dorfrand und Buchholzer Dreieck allgemeinverbindlich für unwirksam. Die Gemeinde war gezwungen, nachzubessern. „Das Verfahren wird sich infolgedessen noch ein weiteres Jahr hinziehen“, sagt Dirk Seidler. Er bedaure das sehr, denn nicht nur, dass weiter auf den dringend benötigten Wohnraum gewartet werden müsse, es seien auch Millionen, die der Gemeinde verloren gehen. „Diese Verluste haben die klagenden Anwohner zu verantworten“, so Seidler.
Keine IGS – Sorge um die Zukunft der Oberschule in Nenndorf
Sorge bereitet dem Bürgermeister außerdem die Zukunft der Oberschule in Nenndorf, der einzigen weiterführenden Schule in Rosengarten. Anders als die anderen Oberschulen im Landkreis Harburg wurde diese im Schulentwicklungsplan des Landkreises nicht so berücksichtigt, wie es sich Eltern und Schülerschaft gewünscht haben. „Eine Umwandlung in eine Integrierte Gesamtschule wie es für die Oberschulen in Hollenstedt und Hanstedt vorgesehen ist, wird es bei uns nicht geben“, sagt Seidler.
„Das ist schon frustrierend.“ Vor allem, weil die Schulen Sache des Landkreises seien, ihm als Bürgermeister die Hände gebunden seien. Der Landkreis müsse nun dafür sorgen, seine Rosengarten Oberschule voranzubringen. „Er ist verantwortlich, dass seine Schulen am Ende funktionieren.“
Dirk Seidler will sich um den Ausbau der Grundschulen kümmern
Als Gemeindechef wird sich Seidler um den Ausbau der Grundschulen kümmern. Die Planungen für deren Umbau zu Ganztagsschulen sollen 2023 starten. Von 2026 an sollen die Grundschulen dann schrittweise zu Ganztagsschulen umgewandelt werden. Die Kosten für bauvorbereitende Maßnahmen, Ausstattung und Baumaßnahmen trägt die Gemeinde. Der Bund hat jedoch Fördergelder bereitgestellt, die beim Land Niedersachsen beantragt werden können. Mit dem Ausbau der Ganztagsinfrastruktur soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine größere Bildungsgerechtigkeit erreicht werden.
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