Oberhaverbeck. Im Winter 2019/2020 stand der Stimbekhof, ein idyllisches Reetdach-Ensemble im Herzen der Lüneburger Heide, zum Verkauf. Drei Hotelfachleute aus Hamburg griffen zu, um ein besonderes Hotelkonzept umzusetzen: einen Rückzugsort zu schaffen für Ruhe suchende Großstädter.
Trotz Corona starteten sie 2020 zu dritt ihre erste Saison – und konnten sich jenseits der Lockdowns vor Anfragen kaum retten. Heute arbeiten 19 Menschen im Betrieb, inklusive des Betreiber-Trios Sabrina Walterscheidt, Jovitha James und Björn Bohlen.
Vom Großstadtdschungel in die Heide-Oase
„Es schlagen unsere Herzen für unseren Hof, und das spüren die Gäste“, sagt Bohlen. „Wir haben schon jetzt viele Stammgäste, die das fünfte oder sechste Mal zu uns kommen.“ Viele fliehen aus den Regionen Hamburg, Bremen, Hannover und Lüneburg vom Großstadtdschungel in die Heide-Oase. „Wir bieten Ruhe, frische Luft und eine Bilderbuchlandschaft, die zu jeder Jahreszeit reizvoll ist“, sagt der 33-Jährige. Der Saisonhöhepunkt steht unmittelbar bevor: In zehn Tagen wird die Heide in voller Blüte stehen. In dieser Zeit ist nicht nur der Stimbekhof, sondern die gesamte Lüneburger Heide fast komplett ausgebucht. „Von diesem ersten Ferien-Wochenende bis Oktober sind wir zu mehr als 90 Prozent der Betten belegt“, sagt Ulrich von dem Bruch, Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH.
„Unser erstes Treffen war Anfang 2020, als Sie uns die Förderurkunde des Landes Niedersachsen überreichten. Ohne die Förderung würden wir jetzt nicht hier stehen“, sagt Gastgeber Bohlen, umrahmt von den Mitgesellschafterinnen, zum Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Der hatte am Donnerstagabend seine zweitägige Sommerreise mit Pressevertretern auf dem Stimbekhof beendet. Und kontert: „Ihr Betrieb beeindruckt mich sehr. Beim ersten Treffen begann gerade die Corona-Pandemie. Sie haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und als Betreibergesellschaft mehr als drei Millionen Euro investiert. Ihr junger, außergewöhnlicher Betrieb stärkt die Region. Die Lüneburger Heide ist nach der Nordsee die zweitwichtigste Tourismusregion Niedersachsens.“
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Mit 730.000 Euro förderte das niedersächsische Wirtschaftsministerium den Umbau des in den 1920er Jahre entstandenen Hofensembles zum Wohlfühl-Hotel. „Das Geld ist sehr gut angelegt“, sagt Tourismusmanager von dem Bruch. „Wir haben viel Kontakt zum Stimbekhof und auch schon einige Projekte angestoßen, von denen die gesamte Region profitiert.“ Er lobt den Minister für die gute Unterstützung von Hotellerie und Gastronomie in schweren Zeiten: „Dank dieser Unterstützung ist uns in der Coronazeit kein einziger Betrieb verloren gegangen.“ Ein zweiter Faktor sei der starke Mittelstand in der Region: „Die Häuser sind alle bezahlt – aber natürlich sind jetzt die Konten leer.“
Lob die finanzielle Starthilfe aus Hannover für Stimbekhof
Auch Jens Bülthuis, hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Bispingen, lobt die finanzielle Starthilfe aus Hannover für den Stimbekhof: „Die Gemeinde Bispingen ist mit 1,2 Millionen Übernachtungen im Jahr eine Topdestination in der Heide. Betriebe wie dieser, die den Bedarf nach Rückzugsorten stillen, gibt es bislang wenige.“ Nicht jeder mag Freizeitparks und sonstige Unterhaltung.
Damit die Hofgäste wirklich zur Ruhe kommen, verzichten die Hotelbetreiber auf Familienfeiern wie Hochzeiten, obwohl es immer wieder Anfragen gebe, sagt Bohlen: „Solche Feiern passen nicht zu unserem Ambiente. Andere Gäste würden sich dadurch gestört fühlen.“
Ehemaliger Schnuckenstall bietet heute Platz für Yoga-Retreats
In der Nebensaison werde schon einmal das gesamte Hofensemble vermietet. Der ehemalige Schnuckenstall bietet heute Platz für Yoga-Retreats (Erholungsurlaube mit Yoga und Meditation zur inneren Einkehr). Die Angebote seien für 2023 ausgebucht, sagt Bohlen, „wir bekommen bereits Anfragen für 2024“.
Er führt den Minister durch den Betrieb, betritt mit ihm ein kleines Doppelzimmer. Es ist zum Preis von 155 Euro pro Nacht zu buchen, inklusive eines Frühstücks. „Wir haben festgestellt, dass viele Gäste längere Aufenthalte wollen, dafür brauchen wir mehr größere Zimmer“, sagt Bohlen. „Wir werden deshalb kleinere zusammenlegen.“ Größere Zimmer ab 28 Quadratmeter sind ab 200 Euro zu haben. „Viele Gäste sehen nur die 30 Quadratmeter. Aber dahinter stehen 30.000 Quadratmeter – der Hof steht in unserem Fokus, wir wollen ihn erhalten.“
Alle ein bisschen anders als in „normalen“ Tourismusbetrieben
Auf dem Stimbekhof ist vieles ein bisschen anders als in „normalen“ Tourismusbetrieben. Hier helfen Chefinnen und Chef beim Bettenmachen, bei der Bedienung der Gäste, packen überall an, wo gerade eine Hand gebraucht wird. Es gehe nicht um Durchsatz, sagt Bohlen. „Wir wollen Gastgeber sein, keine Tellerträger.“ Deshalb ist die Gastronomie fast ausschließlich den Hotelgästen vorbehalten. Nur im Hofcafé werden nach vorheriger Reservierung auch auswärtige Besucher bedient.
In der Gastronomie werde eine hochwertige Dienstleistung erbracht, die nicht ausreichend wertgeschätzt werde, sagt der Hotelmanager ohne Chefallüren. Er präsentiert sich als Freund, der sich über jeden Gast freut. Und erwartet, dass auch die Kundschaft das Hotelteam entsprechend wohlwollend behandelt. Das mag ein Grund dafür sein, dass der Stimbekhof genügend Personal hat. Es komme auf die richtige Ansprache an, sagt Bohlen: „Bei uns arbeiten junge, gut ausgebildete Fachkräfte. Ab August bilden wir selbst eine Angestellte aus.“
Andere Tourismusbetriebe in der Heide leiden stark unter Fachkräftemangel. Ursache ist offenbar ein Mix aus Pandemie und niedrigen Löhnen. Viele Servicekräfte seien in die Logistik gewechselt, sagt von dem Bruch. Dort sei das Lohnniveau deutlich höher.
Die HeideMacher, Start-ups mit regionalen Wurzeln:
- Der Begriff HeideMacher steht für Jungunternehmer, die in der Region besondere Produkte herstellen oder, wie der Stimbekhof, spezielle Dienstleistungen anbieten. Eine Auswahl:
- Der Heideröster Franky in Dierkshausen betreibt in einer alten Mühle eine Kaffeemanufaktur. Seine Kreationen werden in vielen Cafés und Läden der Region angeboten, freitags am Nachmittag auch in der Mühle.
- Die Heidebrennerei Bosselmann in Egestorf produziert weichen Gin mit pflanzlichen Zutaten aus der Heide. Gerhard Bosselmann verwendet dazu Wacholder, Schlehen, Hagebutten, Douglasienspitzen und Preiselbeeren.
- De Lütte (die Kleine) heißt eine Brauerei in Salzhausen. Sie nennt sich klein und kreativ; auf nicht einmal 100 Quadratmetern werden Bier-Chargen von je 500 Litern gebraut.
- Im HeideBulli können sich Heidefans von Undeloh aus zu besonders schönen Orten fahren lassen – in zwei restaurierten T2-Bullis. Fünf Touren sind im Angebot, die kürzeste dauert 2,5 Stunden.
- natur verliebt hat sein Konzept bereits im Namen verewigt: In Egestorf wird handgepflücktes Obst zu Saft, Sirup und Brotaufstrichen verarbeitet. Ebenfalls in Egestorf befindet sich das Degenhof Manufaktur Lädchen.
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