Lüneburg. Das vierstöckige Wohnhaus ist das größte seiner Art in Deutschland. Es entsteht aus Holz, Stroh und Lehm und wird das neue Zuhause für 51 Erwachsene und 15 Kinder, die zusammen das Wohnprojekt Querbeet bilden. Menschen aus Lüneburg, Hamburg, Paderborn, Peine und Lübeck wollen im Lüneburger Hanseviertel ihren Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen in dem besonders ökologisch gebauten Haus verwirklichen. Zu ihnen zählen Familien, Paare, Alleinstehende und eine Wohngemeinschaft.
Für ihren gemeinsamen Traum haben Eva Kern, Elke Huckfeldt und Matthias Skorning bereits eine Menge Zeit und viel Geld investiert. Sie sind drei der Bauherren und Bauherrinnen, die von einem Planungsbüro und Architekten unterstützt, die zwei nebeneinander stehenden Häusern realisieren. Ihre Gründe, in das Wohnprojekt einzusteigen, haben alle mit dem Wunsch nach Gemeinschaft zu tun.
Mitglieder des Wohnprojekts freuen sich auf Dorfgefühl und Gemeinschaft
„Früher war es normal, dass es Treffpunkte gab, heute leben wir alle viel vereinzelter“, sagt Elke Huckfeldt. Für die 70-Jährige, die bereits in einem Hochhaus und in WGs gelebt hat, ist das Wohnprojekt daher vielmehr eine Rückkehr ins Normale als ein Zukunftsexperiment. Die Sozialpädagogin ist von Anfang an bei Querbeet dabei. Wie die meisten der Teilnehmer schätzt auch sie die Möglichkeit, sich bei Bedarf in die eigene Wohnung zurückziehen zu können.
Das war auch für Eva Kern ein Grund für die Baugemeinschaft. Nach vier Jahren mit häufig wechselnden Nachbarn freue sie sich auf Beständigkeit, sagt die 34-Jährige, die in einem Dorf aufgewachsen ist. Auch die Größe des Projekts sei ideal. „Da ist jetzt schon ein kleines Dorfgefühl. Ich muss nicht mit jedem ganz dicke sein, aber es werden immer Menschen da sein, mit denen ich unterschiedliche Interessen teilen kann.“ Eva Kern, die beim Jugendumweltnetzwerk Janun in Lüneburg arbeitet, wird in dem Haus eine Wohngemeinschaft in ihrer Wohnung gründen. Die daneben gelegene Wohnung hat eine Freundin von ihr gekauft, sie wird mit ihren zwei Kindern einziehen. Im Alltag wollen die Frauen die beiden Wohnungen gemeinsam nutzen.
Es ziehen Familien, Paare und Alleinstehende aus Lüneburg und anderen Orten ein
Die Kinder von Matthias Skorning und seiner Frau sind bereits ausgezogen. Jetzt will das Paar aus Reppenstedt ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen. „Wir wollen nicht nur auf unserer Scholle bleiben, sondern uns aufs Wesentliche besinnen“, sagt der Pädagoge, der die Evangelische Familienbildungsstätte in der Hansestadt leitet. Für den 61-Jährigen ist der gemeinschaftlich Gedanke ebenso wichtig wie die besondere ökologische Herangehensweise, durch die viele Interessenten auf das Wohnprojekt aufmerksam geworden sind. Den Familien in der Gruppe sei es zumeist wichtig gewesen, dass ihre Kinder nicht so vereinzelt aufwachsen, sagt Matthias Skorning. Wer mitmachen will, sollte ausreichend Zeit haben, sich in die Gemeinschaft einbringen zu können. Auch Erfahrungen im gemeinschaftlichen Wohnen sind von Vorteil.
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Seit 2019 plant die Gruppe das Häuserensemble. Die Steuerung des Projekts hat das Büro Plan W mit Sitz in Lübeck und Hannover übernommen. Den Neubau hat der Architekt Dirk Scharmer vom Lüneburger Planungsbüro Deltagrün entworfen. Wegen der Coronapandemie traf die Baugemeinschaft sich über Monate nur noch digital. Das habe auch einen positiven Effekt gehabt, sagt Eva Kern. „Ich zum Beispiel hatte keine Ahnung von Hausbau, wusste aber, wie Zoom funktioniert. Indem wir uns gegenseitig geholfen haben, sind wir alle mehr auf eine gemeinsame Augenhöhe gekommen.“ Im vergangenen Herbst begannen die Bauarbeiten, vor Kurzem wurde Richtfest gefeiert. Die Energiesparhäuser haben KfW-40-Standard, besser geht es im Moment nicht. Dadurch erhielt jede Partei eine Förderung in Höhe von 37.000 Euro.
Die 51 Bauherren müssen viel Zeit und Geld für ihren Traum aufbringen
Das Projekt ist bereits in der Vorbereitungsphase und jetzt in der Bauphase mit viel Zeitaufwand für die Mitglieder verbunden. Alle drei Wochen gibt es eine Gesellschafterversammlung, alle vier Wochen treffen sich die Eigentümer auf der Baustelle. „Wir organisieren auch Themenabende, zum Beispiel um Bodenbeläge oder Wandfarben auszusuchen“, sagt Eva Kern. „Die Fensterklinken stehen schon fest.“ Aus praktischen und finanziellen Gründen werden solche Dinge einheitlich beauftragt.
Ohnehin ist das Thema Geld eines, mit dem sich die Gruppe bereits intensiv auseinandersetzt hat. „Das Ganze ist sehr viel teurer als ursprünglich geplant geworden“, sagt Matthias Skorning. Von 3700 Euro stiegen die Kosten pro Quadratmeter auf 5050 Euro, vor allem weil Rohstoffe und Handwerkerleistungen sich deutlich verteuert haben. Jetzt helfen einige aus der Gruppe beim Bau des Hauses mit, ob durch Fegen am Abend, um Handwerkerstunden zu sparen, oder beim Einpassen der Strohballen in das Holzständerwerk. Denn es fand sich kein Betrieb, der den noch ungewöhnlichen Strohbau in diesem bisher einmaligen Umfang übernehmen konnte. Von innen werden die Gebäude mit Lehm verputzt, außen wird ein Kalkputz aufgetragen.
Drei Eigentumswohnungen bei Querbeet sind noch zu vergeben
38 Wohnungen entstehen in den beiden Häusern, dazu ein Gemeinschaftsraum und weitere gemeinschaftlich genutzte Flächen, wie eine Werkstatt, ein Waschmaschinenraum und ein Garten. Auch eine Tiefgarage musste die Gruppe zähneknirschend einplanen, wegen der auch für sie gültigen Stellplatzverordnung. Zusätzlich gibt es in ihrer Tiefgarage allerdings hundert Fahrradbügel, das zählt zu ihrem Mobilitätskonzept. Alle Wohnungen werden von den Eigentümern bezogen. Eine vierte Wohnung soll zu einem Open Space werden, der für Co-Working oder auch als Atelier genutzt werden kann. Um diese Idee finanzieren zu können, hat die Gruppe eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Trotz der gestiegenen Kosten sind die drei künftigen Nachbarn überzeugt, dass die Investition sich für ihr Leben auszahlen wird. „Wir sind schon jetzt eine starke Gemeinschaft, können zusammen feiern, uns füreinander freuen und nehmen Anteil aneinander“, sagt Matthias Skorning. „Das kann man mit Geld nicht bezahlen.“
Drei Einheiten in dem Neubau sind noch zu vergeben, zwei mit rund 53 Quadratmeter Fläche und eine mit rund 61 Quadratmetern. Weitere Informationen zum Projekt und den Wohnungen gibt es im Internet auf www.querbeet-lueneburg.de.
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