Lüneburg. Die Welt des deutsch-französischen Malers Jean Leppien besteht aus Linien, abstrakten Formen, starken Farben und Kontrasten. Seine Aussparungen sind es, die den Betrachterinnen und Betrachtern Freiräume eröffnen, den Platz für Assoziationen. Naturphänomene sind zu entdecken, Landschaften, menschliche Interaktion. Leppien war der Essenz auf der Spur.
Seit Kurzem hängen im Museum Lüneburg fünf seiner Werke. Das Museumsteam um Leiterin Heike Düselder hat sie im Treppenhaus, an der Nordseite des Gebäudes platziert, gleich neben großen Fenstern, was ausgesprochen ungewöhnlich ist. Generell ist es ungewöhnlich, dass Kunst in das Museum für Kulturgeschichte, Archäologie und Naturkunde Einzug erhält. Doch so hatte es der inzwischen verstorbene Thomas Leppien als Vertreter der Erbengemeinschaft gewollt.
Teil des Nachlasses sollte in Geburtsstadt Platz erhalten
Ein Teil des Künstlernachlasses sollte in der Geburtsstadt Jean Leppiens einen dauerhaften Platz erhalten. „Im Museum Lüneburg fand mein Mann ein offenes Ohr“, berichtet Karin Leppien. Sie ist die Witwe des ehemaligen Senators Thomas Leppien, Neffe und Patensohn des Künstlers. Er hatte den Wunsch, dass die Bilder auch wirklich gezeigt werden, nicht einfach ins Magazin wandern.
2017 gab es erste Gespräche. Die Museumsleitung durfte wählen und entschied sich für drei Bilder der Serie „Predella“ (in der Kunstwissenschaft wird der Begriff oft für Sockel von Altären verwendet), ein Bild der Serie „UFO“ und ein Triptychon. „Wir wollen auch den Menschen Jean Leppien und seinen Lebensweg zeigen und geben deshalb Einblick in unterschiedliche Schaffensperioden“, sagt Düselder.
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Jean Leppiens Lebensweg war steinig. 1910 wird er als Kurt Gottfried Johannes Leppien in Lüneburg geboren, 1929 beginnt er sein Studium am Bauhaus in Dessau und besucht Klassen von Wassily Kandinsky und Paul Klee. Ab 1933 lebt er gemeinsam mit seiner Frau Suzanne, die Jüdin ist, in Frankreich. Anfang 1940 wird der Künstler in Algerien, anschließend in Marokko stationiert, nach der deutschen Besatzung Frankreichs wird seine Truppe demobilisiert. Er arbeitet als Bauer und Maurer.
1944 wird Suzanne von der Gestapo verhaftet, nach Auschwitz deportiert, kurz darauf kommt auch Jean Leppien ins Gefängnis. Doch beide überleben. 1946 gründet Leppien mit anderen Künstlern, die sich ebenfalls der geometrischen Abstraktion widmen, den Pariser „Salon des Réalités Nouvelles“. Jean Leppien ist erfolgreich, seine Werke werden in vielen Städten Europas gezeigt. 1991 stirbt er in Paris.
Biografischer Nachlass wartet Stadtarchiv auf Aufarbeitung
„Die Menschen können sich denken, was sie wollen“, sagt Karin Leppien. „Er macht ihnen keine Vorschrift.“ Deshalb liebe sie seine Bilder so sehr, besonders die ohne Titel. Von der Hängung im Museum Lüneburg sei sie begeistert, betonte sie kürzlich bei ihrem Besuch in der Hansestadt. Man könne gleichzeitig das Bild und – durch die Fenster – die Stadt vor dem Museum erfassen.
Die Auswahl des Museums ist nicht aus der Luft gegriffen, insbesondere die „Predella“-Bilder und das Triptychon nehmen Bezug zu den sakralen Exponaten und Altären im Museum.
Seit 2017 betreut Van Ham Art Estate den Künstlernachlass von Jean Leppien, sein biografischer Nachlass befindet sich jedoch seit 2009 im Lüneburger Stadtarchiv und wartet auf eine Aufarbeitung. Man wolle durch die kleine Ausstellung im Museum Lüneburg den Künstler wieder in Erinnerung rufen – auch um die Aufarbeitung, die dringend nötig sei, in die Wege zu leiten, sagt Museumsleiterin Düselder. Noch sei niemand gefunden. Zwanzig Regalmeter mit Kartons umfasst der Nachlass. Was er beinhaltet, ist unbekannt, möglicherweise weitere Werke.
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