Harburg. Unter dem Motto „Was die Wirtschaft braucht“ hatte der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden die Bundestagskandidaten des Wahlkreises Harburg-Bergedorf zur Podiumsdiskussion ins Hotel Lindtner geladen. Bis auf die AfD-Kandidatin Olga Petersen waren am Montagabend alle erschienen und stellten ihre Standpunkte zu den Schwerpunktthemen Energie und Mobilität dar. Schnell wurde deutlich: Was der Wirtschaft hilft, nützt auch den Bewohnern der beiden Bezirke.
Besonders ergiebig war die Diskussion zum Thema Verkehr: Franziska Wedemann, 1. Vorsitzende des Wirtschaftsvereins, fragt zunächst in die Runde, wer gegen und wer für den Bau der A 26-Ost sei, die die A 7 in Höhe Moorburg mit der Anschlussstelle Stillhorn verbinden soll. Und macht dabei die Position der Wirtschaft deutlich: „Wir warten auf die A 26 schon lange.“ Die Fürsprecher sind in der Mehrheit, aber nur knapp.
Hakverdi fordert starke Investitionen in Infrastruktur
Als Wilhelmsburger tue er sich „enorm schwer“, das Projekt zu unterstützen, sagt SPD-Bundestagskandidat Metin Hakverdi. Schließlich werde versucht, Verkehrsprobleme des Hamburger Südens auf Kosten Wilhelmsburgs zu lösen. Dennoch befürworte er das Projekt: „Ich möchte nicht, dass wir in Zukunft weniger mobil sind, im Gegenteil. Deshalb muss stark in die Infrastruktur investiert werden. Dazu gehört auch ein Tunnel unter dem Köhlbrand hindurch und der Ausbau der S-Bahn“, betont Hakverdi, der seit 2013 seinen Wahlkreis im Bundestag vertritt.
Manuel Sarrazin von den Grünen lehnt den Autobahnbau dagegen ab: „Das ist eine viel zu große Investition, denn sie wird Harburg, also die Verkehrsader B 73, kaum entlasten.“ Das zentrale Problem, das es zu lösen gelte, sei die Köhlbrand-Querung, damit die Containerterminals gut angebunden werden. „Wir sollten vom Bund fordern, die Tunnellösung zu finanzieren und im Gegenzug beim Projekt A 26-Ost einen Rückzieher machen“, schlägt Sarrazin vor, der seit 2008 Bundestagsabgeordneter ist.
Wirtschaftsverkehr ist auf Straßen ohne Staus angewiesen
Auch Stephan Jersch (Die Linke) lehnt das Projekt ab: Straßenbau produziere weiteren Verkehr, „das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir brauchen die Verkehrswende.“ Dagegen setzen Sonja Jacobsen (FDP) und Uwe Schneider (CDU) auf den Autobahnbau. „Harburg ist quasi lahmgelegt. Die Staus produzieren mehr Emissionen, das ist auch fürs Klima nicht gut. Gerade der Wirtschaftsverkehr ist auf Fahrzeuge angewiesen. Und darauf, dass diese auf den Straßen vorankommen“, so Jacobsen. Sie selbst lege die meisten Alltagsstrecken mit dem Fahrrad zurück. Uwe Schneider schlägt in dieselbe Kerbe: „Wir brauchen die A 26. Nur ein fließender Verkehr ist ein guter Verkehr.“
Schneider kritisierte den grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks für dessen Ablehnung eines zusätzlichen S-Bahn-Halts in Bostelbek, obwohl das dem Ziel diene, den ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr) attraktiver zu machen. Die Station mit der Begründung abzulehnen, dass sich dadurch die Fahrzeit um zwei Minuten verlängere, sei für ihn nicht schlüssig, sagt der Kreisvorsitzende der CDU Harburg. „Die Leute wollen jetzt eine Lösung sehen und nicht nur Vorschläge für die Zukunft hören.“
20-Minuten-Takt für Buslinien in ländlichen Regionen
Wedemann, Chefin der gleichnamigen Bäckerei, verfolgt mit Sorge die vom Oberbaudirektor Franz-Josef Höing angestoßene Diskussion um die Hamburger Magistralen, darunter die B 73. „Es darf nicht passieren, dass sie zurückgebaut wird, ohne dass eine Alternative da ist“, fordert die Unternehmerin.
„Viele Verkehrsideen kommen aus der Innenstadt und berücksichtigen Randgebiete wie Bergedorf und Harburg nicht ausreichend“, sagt Jacobsen, Verkehrsexpertin der Bergedorfer FDP-Fraktion. Der Bürgerschaftsabgeordnete der Linken Jersch plädiert dafür, dass die Busse auch in ländlichen Regionen wie den Vier- und Marschlanden im 20-Minuten-Takt fahren, damit die Bewohner der Ortschaften nicht auf das Auto angewiesen bleiben.
Flächenkonflikt zwischen Autos, Fahrrädern und anderen gemeinsam lösen
Beim Thema Parkplatznot in der Innenstadt warnt Hakverdi davor, die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen: „Wir haben einen Flächenkonflikt zwischen Autos, Fahrrädern, Cafés auf Bürgersteigen, Nachverdichtung für den Wohnungsbau. Es gilt, Lösungen zu finden, die allen nützen.“ Grünen-Politiker Sarrazin sagt zur angestrebten Verkehrswende: „Der motorisierte Individualverkehr wird durch die Pandemie stärker bleiben, als wir uns es vorher gedacht haben.“ Er fordert, verschiedene Konzepte zu einer neuen Elbquerung im Hamburger Westen offen zu prüfen. Neben dem bereits angedachten S-Bahn-Ring Richtung Altona sollten auch unkonventionelle Ideen wie Seilbahn oder Flugtaxis nicht gleich ausgeschlossen werden.
Anders als bei der Mobilität herrscht beim Thema Energie unter den Kandidaten eine größere Übereinstimmung. Alle stehen hinter dem Klimaziel, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen und fordern einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Unter welchen Rahmenbedingungen der gelingen kann, bleibt jedoch umstritten.
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