Stadtentwicklung

Initiative kämpft um den Erhalt ihres Stadtteils

| Lesedauer: 5 Minuten
Axel Tiedemann
Das alte Haus ist abgerissen, hier soll nun neu gebaut werden: Oft so wie links: Ein Flachdachbau, der das Grundstück bis aufs Äußerste ausreizt

Das alte Haus ist abgerissen, hier soll nun neu gebaut werden: Oft so wie links: Ein Flachdachbau, der das Grundstück bis aufs Äußerste ausreizt

Foto: Axel Tiedemann / AT

Altkloster gilt als das Altona Buxtehudes. Doch auch hier werden immer mehr alte Häuser abgerissen. Anwohner wehren sich.

Buxtehude.  Ein Theater im Hinterhof, Gründerzeithäuser neben Bauernkaten, dort eine Autowerkstatt, hier eine Änderungsschneiderei, gegenüber ein Tanzstudio: Vieles im Buxtehuder Stadtteil Altkloster erinnert den Künstler Sven Brauer an seine alte Heimat Hamburg-Altona. Doch als dort das Wohnen immer teurer, das Umfeld immer schicker wurde, entschloss er sich gemeinsam mit seiner Frau vor sechs Jahren zum Umzug in die kleinere Hansestadt.

„Hier haben wir dieselbe Melange gefunden“, sagt er. „Nicht dörflich dröge, aber auch nicht städtisch arrogant, hier wohnt noch der Akademiker neben dem Arbeiter“, so beschreibt es Brauer, der in Altona eigentlich stark verwurzelt ist; ein Urgroßonkel war der legendäre Altonaer und später auch Hamburger Bürgermeister Max Brauer. Er selbst war als Zeichner, Dozent und Kochbuchautor Teil in Altonaer Kulturszene.

Immer mehr alte Häuser werden im Stadtteil abgerissen

Doch statt nun in Ruhe das Altonaer-Gefühl in Altkloster weiter leben zu können, holt ihn hier die Entwicklung wieder ein. Immer mehr alte Häuser werden in dem Buxtehuder Stadtteil abgerissen. Ersetzt durch Neubauten, die die Grundstücksgrenzen oft bis auf Äußerste ausreizen und von einem frühen Hinterhof-Blumenparadies nur noch einen Schotter-Vorgarten übriglassen.

Als jüngst nach dem Tod eines Nachbarn wieder ein kleines, altes Häuschen abgerissen wurde und Pläne bekannt wurden, dass dort nun zwei Blöcke mit jeweils sechs Wohneinheiten gebaut werden sollen, war es Sven Brauer und einigen Nachbarn zu viel. Gemeinsam gründeten sie die „Bürgerinitiative Altkloster“. Für September ist jetzt eine eigentliche Gründerversammlung geplant, um noch mehr Anwohner auf ihre Seite zu ziehen und so auch mehr politisches Gewicht in der Stadt zu bekommen, wie Brauer sagt.

Initiative fordert konkreten Bebauungsplan

Auf ersten Flyern haben sie ihre Forderungen bereits skizziert. „Erhalt bestehender Bausubstanz“ und eine „sensible bauliche Verdichtung“ fordert die Initiative, die damit auch ein soziales Ziel verfolgt, wie Gründungsmitglied Brauer sagt. Gerade die alten Häuser in Altkloster böten Familien noch eine Möglichkeit, günstig in einem reizvollen Quartier zu wohnen. „Die Neubauten mit ihren Eigentumswohnungen, die hier überall gebaut werden, können sich viele doch gar nicht leisten und sind meist auch nicht familiengerecht“, sagt Brauer.

Doch woher kommt der aktuelle Abriss- und Neubau-Boom? Da ist zum einen der Wohnungsmarkt in Hamburg, der als ziemlich ausgereizt und teuer gilt. Gerade im Landkreis Stade sei aber das Verhältnis zwischen Preisentwicklung und erwarteter Wertsteigerung noch günstig für Investoren, stellte jüngst (wie berichtet) die Postbank fest.

Neues Bauland ist aber knapp und Abriss in der historischen Fachwerk-Altstadt Buxtehudes kaum denkbar. Bleibt aber zum Beispiel Altkloster, das eigentlich mit seinen Resten alter Klostermauern der echte historische Kern der Stadt ist und daher über diese eigentümliche und gewachsene Mischung aus Bauernhäusern, Handwerkerhöfen, Wohnbauten aus der Gründerzeit und den ein oder anderen Neubau besteht. Viel wird hier vererbt oder auch verkauft.

„Umschubsen“ ist wirtschaftlicher als erhalten

Doch gerade mit Blick auf immer neue Klimaschutzforderungen lohnt der Erhalt alter Gebäude oft nicht, während die Grundstücke wegen der Nachfrage wertvoller werden. „Da ist es wirtschaftlicher, wenn man die alten Häuser einfach umschubst und neu baut“, so ein örtlicher Bauunternehmer. Das sieht auch die neue Initiative so und fordert konkret von der Stadt ein städtebauliches Konzept oder am besten einen richtigen Bebauungsplan mit genauen Regeln für Altkloster.

Ein Problem, das viele historische Quartiere kennen

Tatsächlich gilt der Stadtteil wie viele historisch gewachsene Quartiere andernorts auch nach dem Baugesetz als „nicht beplanter Innenbereich“. Der Paragraf 34 regelt dort, was erlaubt ist und was nicht. Neue Häuser müssten sich in „Art und Maß einfügen“, heißt es in dem Paragrafen. Was das bedeutet, darüber haben schon etliche Juristen-Generationen gestritten. Oft, auch in Teilen Altonas, führt die Auslegung zu Streit und Bauverwaltungen müssten fein abwägen, zwischen Einfügungsgebot und dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Bebauung – was ein schmaler Grat sein kann.

„Ich kann aber das Unbehagen in Altkloster verstehen“, sagt Buxtehudes Stadtbaurat Michael Nyveld. Es sei eben nicht so, dass die Stadt diese Entwicklung aktiv fördere und Bauherren auffordere, mehr zu bauen als vorher. „Das sind in der Regel private Anträge, oft auch von Menschen aus dem Stadtteil selbst“, sagt Nyveld, der auch in einem neuen und konkreten Bebauungsplan kein Allheilmittel sieht. Sollte die Stadt dort einen solchen Plan aufstellen, könnten aufgrund des vorherigen Baurechts Schadensersatzansprüche auf die Stadt zukommen. „Das ist nicht so einfach, das muss man genau prüfen“, so der Buxtehuder Stadtbaurat.

Druck kann durch neues Gesetz sogar noch wachsen

Tatsächlich sieht es derzeit sogar danach aus, dass der Druck auf Altkloster und vergleichbare Paragraf-34-Stadtteile der Republik noch wachsen könnte. So hat der Bundestag jüngst ein „Baulandmobilisierungsgesetz“ beschlossen. Ziel unter anderem: Kommunen sollen das Einfügungsgebot künftig deutlich weniger streng bewerten als bisher.