Landkreis Harburg. Der Landkreis Harburg hat eine entscheidende Etappe für den Umweltschutz abgeschlossen. Nachdem im Kreistag noch einmal sechs FFH-Gebiete (Flora, Fauna, Habitat) mit Mehrheit beschlossen wurden, gelten nun die von der EU geforderten Flächen als geschützte, zusammenhängende Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Nur eine Entscheidung über das Gebiet in der Lüneburger Heide, das in der Regie des Heidekreises fällt, steht noch aus.
Für die Heide soll der Landkreis im Einvernehmen mit dem Nachbarkreis dem Beschluss beitreten. Dieser Schritt gilt als sicher. Das Fazit des zuständigen Kreisrats Josef Nießen fällt deutlich aus: „Der EU ist mit der FFH-Richtlinie ein großer Wurf gelungen.“
Landkreis Harburg stellt großen Teil der Kreisfläche unter Schutz
Mit dem Natura-2000-Verfahren (siehe Infokasten) steigen die Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete im Kreis von jeweils 22 auf 25. Zusammen umfassen sie mehr als 44.000 Hektar. Das entspricht mehr als 35 Prozent der gesamten Fläche des Kreises.
Mit dem Netz von Schutzgebieten will die EU grundsätzlich erreichen, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt und keine weiteren Verschlechterungen für Tiere und Pflanzen in ihrem Lebensraum eintreten. Die FFH-Richtlinien sind zwar schon seit 1992 in Kraft, wurden aber erst 1998 im Bundes-Naturschutzgesetz rechtsverbindlich in nationales Recht umgesetzt. In der Kreisverwaltung arbeiteten zunächst zwei, später drei Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde dauerhaft an dem Thema. Nießen löste als zuständiger Kreisrat Monika Scherf ab, die heute Landesbeauftragte für regionale Entwicklung in Lüneburg ist.
Es kann aber Ausnahmen geben
Der Finanzwirt und Jurist sieht derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass die EU noch weitere FFH-Gebiete einfordern werde. „Doch die EU-Beamten werden die Gebiete im Auge behalten und schauen, wie sie sich entwickeln. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass bei bestehenden Verordnungen noch nachgebessert werden muss.“
Im Landkreis begann die operative Arbeit nach den Kartierungen 2013. Immer wieder begleitet von „intensiven, konfliktbehafteten Diskussionen“, wie Nießen sagt. Sie führten zu Einwänden gegen ausgelegte Planungen, Informationsabenden und zahlreichen Einzelgesprächen mit betroffenen Bürgern. Diskutiert wurde zudem mit Land- und Forstwirtschaft sowie betroffenen Verbänden und Kammern, die gehört werden müssen.
Lange umstritten und schließlich auf europäischer und Landesebene entschieden war etwa der Vorschlag, 15 Meter im Deichvorland zur Elbe aus dem Naturschutz herauszunehmen. Damit sollten die Flächen bei Bedarf rasch für höhere und damit unweigerlich breitere Deichfüße genutzt werden können. Im Landkreis sind rund 34 Kilometer Deichlinie zwischen Avendorf und der Bunthäuser Spitze betroffen, die zu den beiden FFH-Gebieten Elbniederung und Tideelbe gehören. Die EU und Niedersachsen lehnten die Herausnahme der Gebiete letztlich jedoch ab.
Einschränkungen für die Landwirtschaft beim Düngen
So bleiben die Bereiche nun zwar im Naturschutz, aber im Sinne des übergeordneten Gemeinwohls kann es Ausnahmen geben. „Die Grenzen der Naturschutzgebiete können projektbezogen angepasst werden“, erklärt Nießen. Die Kreisverwaltung will nun mit den drei regionalen Deichverbänden möglichst noch in diesem Jahr eine Kooperation für den Hochwasserschutz schließen.
Einschränkungen gibt es für die Landwirtschaft beim Düngen oder dem Einbringen von Dünger auf Mähwiesen, auf denen dann weniger Heu geerntet werden kann. Alte Eichenwälder oder Erlen/Eschen/Auewälder sollen erhalten und nicht durch schnell wachsende Arten ersetzt werden. Die zahlreichen Weihnachtsbaumplantagen im Kreis sind von den neuen Bestimmungen jedoch nur in Einzelfällen betroffen. Für sie besteht ein Bestandsschutz, so dass nach dem Fällen neu gepflanzt werden kann.
Im Naturschutz gilt für Bürger ganzjährig, dass Spaziergänger ihre Hunde an der Leine führen müssen und Waldwege nicht verlassen dürfen. Das soll Rehe nicht beunruhigen, Vögeln das Brüten ermöglichen und sie nicht durch Lärm stören. „Wir glauben, dass die Erkenntnis wächst, dass der Artenschutz auch die Menschen schützt“, sagt Nießen.
Wird es juristische Konsequenzen geben?
Der Weg dorthin ist aber weiter umstritten. Obwohl die Kreisverwaltung für die FFH-Gebiete den Naturschutz für notwendig gehalten hatte und hält, ist auch im Landkreis Harburg die Politik diesem Hinweis nicht in jedem Fall gefolgt und hat sich in einigen Fällen für den Landschaftsschutz entschieden. Ob das juristische Konsequenzen wie in anderen Regionen bundesweit haben wird, ist offen.
Viel wird wohl davon abhängen, wie die Gebiete gemanagt werden und wie zielführend die getroffenen Maßnahmen in den Gebieten greifen. Offen ist auch, ob das noch immer anhängige Verfahren der EU wegen der versäumten Fristen noch zu Strafzahlungen für die einzelnen Staaten führt. Auch Deutschland steht hier weiter im Fokus.
„Wir haben jetzt die Pflichtaufgaben erfüllt, unsere Hausaufgaben gemacht und alle notwendigen Beschlüsse getroffen“, fasst Kreisrat Nießen zusammen. „Daher hoffen wir, dass das Damoklesschwert von Strafzahlungen nicht weiter über uns hängt. Für die Menschen und die Natur hat sich die Arbeit in jedem Fall gelohnt.“
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