Nenndorf. Es ist ein skurriler Anblick, der sich derzeit für die Autofahrer der Eckeler Straße zwischen A1 und Nenndorf auftut. Dort, am westlichen Rande der Kreisstraße erheben sich bis an den Horizont dutzende pyramidenförmige Sandberge, jeder einzelne etwa zwei Meter hoch.
Symmetrisch angeordnete Hügel an Eckeler Straße
Aufgereiht wie an einer Perlenkette erstrecken sich die symmetrisch angeordneten Hügel nebst quadratisch ausgehobener Fläche auf dem weiten Areal.
Was aussieht wie das Werk eines Monster-Maulwurfs, ist das Ergebnis bodenkundlicher Forschungsarbeiten von Archäologen. Diese waren angerückt, um im Vorwege der geplanten Bauarbeiten zur Erschließung des neuen Gewerbegebietes „An der Autobahn“ sicherzustellen, dass hier nicht möglicherweise wertvolle archäologischen Funde einfach untergebuddelt werden.
Stück für Stück oberflächlich abgetragen
Dazu haben sie die 4,75 Hektar große Fläche Stück für Stück systematisch oberflächlich abgetragen. Auf dem Areal zwischen den vorhandenen Gewerbegebieten Am Hatzberg, Eckeler Ohe und der A 1 plant die Gemeinde ein weiteres und vorerst letztes Gewerbegebiet am Rande von Nenndorf. Hier sollen sich überwiegend kleinere Firmen ansiedeln.
Doch bevor auf dem Acker die Bagger und Baumaschinen anrollen, sind die Bodenforscher dran. Angeordnet hat die archäologische Voruntersuchung Kreisarchäologe Jochen Brandt im Auftrag der Gemeinde Rosengarten. Brandt, der sich selbst als „Bodenwühler“ bezeichnet, ist Archäologe, arbeitet seit 15 Jahren als Wissenschaftler im Archäologischen Museum Hamburg und kümmert sich zudem als Mitarbeiter der Kreisverwaltung in der Unteren Denkmalschutzbehörde um den unversehrten Erhalt archäologischer Denkmäler im Erdreich.
Wenn Brandt ein Gelände für verdächtig hält, wird erst einmal oberflächlich geschürft, bevor die Erde großflächig umgewälzt wird. „Verdächtig ist eine Fläche dann, wenn anzunehmen ist, dass hier wertvolle Bodendenkmäler zu erwarten sind“, so Brandt. Dazu habe es auf besagtem Acker Anlass gegeben. Schließlich habe man nur wenige hundert Meter davon entfernt bei der Erschließung der Fläche für das Gewerbegebiet Nenndorf Ost Überreste einer 2500 Jahre alten Siedlung gefunden. „Wir wollen sicherstellen, dass wir nichts übersehen“, so Brandt.
Ergebnis der Arbeit ist eher ernüchternd
„Deshalb haben wir im Bereich des Bauvorhabens die oberste Humusschicht abtragen lassen. Durch diese Methode werden Verfärbungen, die auf Siedlungstätigkeit aus vergangener Zeit hinweisen können, zum Beispiel Gräber, Siedlungsgruben oder Pfostengruben von Holzgebäuden, sofort erkennbar.“ Das Ergebnis der Arbeiten, die insgesamt eine Woche gedauert haben, ist allerdings ernüchternd. „Wir haben nichts gefunden“, sagt Jochen Brandt. „Die Bodenstruktur hat lediglich ergeben, dass hier einmal Wald gewesen sein muss.“
Untersuchungen von Flächen wie der in Nenndorf gibt es im Landkreis regelmäßig. Allein im laufenden Jahr waren es im Rahmen von Bauplanungen knapp 20 Einsätze dieser Art. „Oft kommt bei den Voruntersuchungen nichts raus“, sagt Brandt. „Aber man weiß anschließend wenigstens Bescheid, ob sich etwas im Boden befindet und erlebt keine böse Überraschung, wenn man bereits mit den Bauarbeiten begonnen hat.“ Die Kosten für die Bodenuntersuchungen liegen bei etwa 800 Euro pro Hektar.
Diese trägt die Gemeinde Rosengarten, die Eigentümer des Areals ist. „Das Abschieben ist die einfachste und preisgünstigste Möglichkeit, Spuren zu finden“, sagt der Erste Gemeinderat Carsten Peters. „Aufwendig wird es erst, wenn etwas gefunden wird. Es ist somit günstiger, die ganze Fläche abzusuchen, als später während der Bauphase einen Baustillstand überbrücken zu müssen.“
Geest ist archäologisch wertvoll
Geprüft werden müssen, laut Jochen Brandt, alle zu bebauenden Flächen im Landkreis, die als verdächtig gelten. Ganz gleich, ob dort ein Carport oder ein Gewerbegebiet entstehen soll. Schließlich lasse sich mit Hilfe der Bodendenkmalpflege die Geschichte unserer Region entdecken, so Brandt. Eine Arbeit, die oftmals von Erfolg gekrönt wird. „Die ganze Geest ist archäologisch wertvoll“, sagt der Archäologe. „Dort muss überall mit Funden zu rechnen sein.“ Rund 5600 Fundstellen im Landkreis sind inzwischen archiviert.
Und es werden stetig mehr. So wurden bei einer Grabung auf dem ehemaligen Josthof-Gelände in Salzhausen Überreste einer Siedlung entdeckt, die bis ins frühe Mittelalter zurückgeht. Auch in Appel entdeckten die Bodenforscher bei der Vorbereitung eines Neubaugebietes eine 2500 Jahre alte Siedlung. Und in Stelle, wo die Planungen für das neue Aldi-Zentrallager laufen, befinden sich auf zehn Hektar Fläche in lockerer Streuung wertvolle Befunde, deren Untersuchung jedoch nicht mit dem Baugeschehen kollidieren werden.
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