Harburg/Kiel. Auch das Virus H5N8 und seine enge Verwandtschaft geben keine Ruhe: Nach wie vor grassiert die Geflügelpest in Norddeutschland. Der Hotspot liegt derzeit im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg, wo in den ersten Januartagen bereits mehr als 55.000 Puten getötet werden mussten. In Schleswig-Holstein wurden in den vergangenen Wochen wieder vermehrt infizierte Wildvögel gefunden, im Kreis Dithmarschen brach Ende Dezember die Vogelgrippe bei einem Gänsezuchtbetrieb aus.
Vor allem Putenmastbetriebe im Landkreis Cloppenburg haben aktuell unter der tierischen Pandemie zu leiden. Seit dem 21. Dezember wurden Vögel aus elf Betrieben infiziert. 131.000 Puten mussten deshalb ihr Leben lassen. Am Dienstag kam erstmals ein Entenmastbetrieb mit 36.000 getöteten Tieren hinzu. „Aktuell sind keine weiteren Landkreise betroffen“, sagt Silke Klotzhuber vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). Insbesondere der Landkreis Harburg kam bislang glimpflich davon. Hier wurde Mitte November nur eine infizierte Graugans im Elbort Stöckte bei Winsen/Luhe nachgewiesen.
Coronavirus wirkt sich auf Jagd und Fallzahlen aus
„Seit dem Nachweis in Stöckte hatten wir keine weiteren Fälle von infizierten Wildvögeln“, sagt Bernhard Frosdorfer, Sprecher des Landkreises Harburg. „Wir lassen laufend Wildvögel beproben und schicken die Proben zum Friedrich Loeffler Institut.“
Das FLI ist das Forschungsinstitut des Bundes für Tiergesundheit und erfasst die Verbreitung der Vogelgrippe-Viren in ganz Deutschland. Frosdorfer: „Derzeit haben wir allerdings weniger Proben als in früheren Wintern, denn Enten und Gänse werden wegen des Coronavirus‘ nicht so intensiv bejagt wie sonst üblich.“
Der Landkreis ruft, wie auch die schleswig-holsteinischen Landkreise und die Stadt Hamburg, die Bürger auf, Totfunde von Wasservögeln (Enten, Gänse, Schwäne) und Greifvögeln bei den zuständigen Verbraucherschutz- oder Veterinärämtern zu melden.
Einzelne tote Spatzen oder Amseln im Garten seien dagegen kein Grund zur Sorge, betont die Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz. „Von Singvögeln geht nach bisherigem Kenntnisstand kein besonderes Risiko der Übertragung der Vogelgrippe aus. Verendete Vögel sollten in der Natur belassen werden oder können, wenn sie auf einem Privatgrundstück gefunden werden, in der Restmülltonne entsorgt werden.“
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Hamburg sei generell wenig betroffen, da die Stadt nicht landwirtschaftlich geprägt sei, sagt Behördensprecher Dennis Sulzmann: „Seit Oktober gibt es 15 bestätigte Fälle bei Wildvögeln. Unter gehaltenem Geflügel gibt es keine bekannten Fälle. In Hamburg wird das Virus weiter nur vereinzelt, vor allem bei Gänsen, nachgewiesen.
Trotzdem ist davon auszugehen, dass es unter den Wildvögeln weit verbreitet ist. In den angrenzenden Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen wurden in den vergangenen Wochen verstärkt auch Einträge in Geflügelhaltungen nachgewiesen.“
In Hamburg gilt – wie in Schleswig-Holstein und im nordwestlichen Niedersachsen – seit Mitte November die Stallpflicht. Profis und private Geflügelhalter müssen ihre Tiere im Stall lassen oder sie in einem für umherfliegende Wildvögel hermetisch abgeriegelten Auslauf mit überstehendem Dach unterbringen. Zusätzlich gelten verschärfte Hygieneregeln, etwa beim Betreten der Ställe.
Infizierte Nonnengänse in der Wedeler Marsch und auf Helgoland
Auch im schleswig-holsteinischen Umland von Hamburg hält sich die Geflügelpest in Grenzen. Im Kreis Pinneberg wurde in der Wedeler Marsch kurz vor Weihnachten eine infizierte Nonnengans gefunden. Zwei weitere infizierte Nonnengänse meldete der Kreis am 28. Dezember, doch die hielten sich auf der Helgoländer Düne auf – fernab von Geflügelställen. Vereinzelte an H5N8 oder anderen Virenvarianten verendete Wildvögel wurden auch aus den Kreisen Segeberg, Stormarn und Lauenburg gemeldet.
Die größeren Dramen spielen sich an der Nordseeküste ab. „In der vergangenen Woche hat der schleswig-holsteinische Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz entlang der Westküste eine erneut steigende Anzahl von verendeten oder sterbenden Wildvögeln erfasst“, meldete das Kieler Umwelt- und Landwirtschaftsministerium am 22. Dezember.
„Derzeit liegt die Gesamtzahl seit Beginn des Geschehens bei etwa 15.700 Wildvögeln. Darunter sind erstmalig in stark erhöhter Anzahl Knutts auf Nordstrand betroffen. Etwa 2700 Kadaver von Knutts wurden seit Beginn der vergangenen Woche eingesammelt.“ Knutts sind amselgroße Schnepfenvögel, die in großen Trupps an den Stränden nach Nahrung suchen.
Entlang der Westküste circa 16.230 verendete oder sterbende Wildvögel
„Der schleswig-holsteinische Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz hat entlang der Westküste mittlerweile 16.230 verendete oder sterbende Wildvögel erfasst“, sagte am Dienstag Julia Marre, Sprecherin des Umweltministeriums, dem Abendblatt. Zudem sei bei sechs privaten Haltern das Geflügel infiziert worden. Ende Dezember war das Virus in einen Geflügelbetrieb im Kreis Dithmarschen eingedrungen.
Rund 1800 Gänse mussten getötet werden. Es waren Zuchtgänse, die Nachwuchs für die Weihnachtsgans-Generation 2021 liefern sollten. Bis die kleinen Gössel im Mai/Juni bei den Gänsemastbetrieben auf die Weiden dürfen, sollte die Vogelgrippe überstanden sein. Denn der Erreger wird hauptsächlich durch den Vogelzug verbreitet. Im späten Frühjahr beginnt allmählich die Brutsaison und der geflügelte Reiseverkehr ebbt ab.
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