Hamburg/Reinbek. Am Tag nach seiner Rückreise schläft Maximilian Büchsenschütz erst einmal aus. Erst um 12 Uhr wird er wach. Im eigenen Bett. Im Haus seiner Eltern. In Deutschland. Gesund. Der 24-Jährige ist froh, wieder zu Hause zu sein. In Reinbek im Kreis Stormarn ist er aufgewachsen. „Im Januar war ich das letzte Mal hier“, sagt er zum Abendblatt. Seit 2019 studiert Büchsenschütz in Bari, einer Stadt im Süden Italiens, in der rund 324.000 Menschen leben. Von dort aus sind er und viele seiner Kommilitonen nun in ihre Heimat zurückgekehrt – aus Sorge wegen der Coronavirus-Epidemie.
Italien ist zur Sperrzone deklariert. Giuseppe Conte hat das Land am Montag unter Quarantäne gestellt. Wenige Minuten nachdem der Ministerpräsident die Maßnahme bekannt gegeben hatte, buchten Büchsenschütz und seine Kommilitonen Rückflüge nach Deutschland. „Wir hatten die Befürchtung, nicht mehr aus Italien rauszukommen, wenn die Fluggesellschaften noch mehr Flüge streichen“, sagt der Reinbeker, der Plätze von Bari nach Prag und von Prag nach Hamburg bekam. Am Dienstag landete seine Maschine in der Hansestadt. Er sagt: „Ich war unglaublich erleichtert.“
Eindämmungsmaßnahmen haben auch für Deutsche Konsequenzen
So wie im Fall von Büchsenschütz wirken sich die Eindämmungsmaßnahmen in Italien nicht nur auf die rund 60 Millionen Einheimischen aus, sondern auch auf Deutsche, die sich aus Bildungsgründen in dem Land aufhalten. Laut aktueller Erhebungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) absolvierten im Jahr 2018 im Rahmen des Europäischen Förderprogramms Erasmus+ 2835 Lernende aus der Bundesrepublik Auslandssemester in Italien.
Auch Büchsenschütz nimmt an diesem Programm teil. Für einen Masterstudiengang im IT-Management ist er an der Universität Hamburg eingeschrieben, die es anlässlich Erasmus+ jährlich rund 500 Studierenden ermöglicht, Erfahrungen im Ausland zu machen. „Eine tolle Sache“, sagt Büchsenschütz, der sich für seinen Aufenthalt Italien aussuchte. „Die Menschen in diesem Land sind unglaublich nett, das Studieren macht Spaß, und das Essen ist grandios.“
Unbelebte Straßen in Bari
In den vergangenen Wochen habe sich die Situation allerdings nach und nach geändert. „Und in den letzten vier Tagen hat sich dann alles ganz schnell entwickelt“, so der Student. Die Straßen in Bari seien unbelebter geworden. „Nahezu ausgestorben waren sie, nachdem Norditalien zur Sperrzone erklärt wurde.“ Keiner habe fortan mehr Lust gehabt, nach draußen zu gehen. „Es war nichts mehr los“, sagt Büchsenschütz. „Uns Studenten hat das mit einem unguten Gefühl zurückgelassen.“
Als am Montagabend bekannt wurde, dass die Regierung auch für den Rest des Landes Konsequenzen zieht, sei den Studierenden die Entscheidung über einen Verbleib in Italien leichtgefallen. „Alle wollten umgehend nach Hause“, so Büchsenschütz. „Bloß nicht krank werden in einem fremden Land, dessen Ärzte eine fremde Sprache sprechen.“ Seine Kommilitonen seien wie er am Dienstag abgereist. „Ich weiß von keinem deutschen Studierenden in Bari mehr.“
Glücklich, wieder in Reinbek zu sein
Umso glücklicher ist der 24-Jährige darüber, wieder in Reinbek zu sein. „Aber auch verwundert“, sagt er. „Darüber, dass hier in Deuschland alles ganz normal läuft.“ Es sei merkwürdig, dass das Virus den Alltag der Menschen kaum zu betreffen scheint. Die Vorsicht in Italien sieht Büchsenschütz als angebracht. „Das ist eine erwachsene Art und Weise, mit dem Neuen umzugehen.“
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Den Studenten wundert es außerdem, dass er sich an keinem der Flughäfen einer Kontrolle unterziehen musste. „In Italien musste ich auf einem Zettel lediglich den Grund der Ausreise angeben“, sagt er. „Ich füllte das Dokument aus, holte mir einen Stempel und das war’s.“ An den Flughäfen in Prag und Hamburg habe es gar keine Maßnahmen gegeben.
Passagiere sollen sogenannte Aussteigekarten ausfüllen
Ungewöhnlich ist das nicht. Selbst die Fluggäste, die mittels Direktflügen aus Italien in Hamburg ankommen, werden beim Verlassen des Flughafens nicht kontrolliert. Dazu fehlt dem Flughafen laut Sprecherin Janet Niemeyer die gesetzliche Grundlage. Passagiere aus Risikogebieten seien vom Gesundheitsamt lediglich angehalten, noch in der Maschine sogenannte Aussteigekarten auszufüllen, auf denen persönliche Daten vermerkt sind. Im Falle eines positiven Tests auf Covid-19 können andere Passagiere auf diese Art rasch ausfindig gemacht werden. Büchsenschütz musste sich nicht in eine solche Karte eintragen, weil sein Flugzeug aus Prag kam.
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Für den Master-Studenten heißt es jetzt abwarten. Er hat sich selbst eine Quarantäne auferlegt. „Ich hatte zwar nie Kontakt zu jemandem, der positiv auf Corona getestet wurde und fühle mich kerngesund. Aber sicher ist sicher“, sagt er. Er plant, sein Elternhaus in den kommenden Wochen nicht zu verlassen und verzichtet auf direkten räumlichen Kontakt zu seiner Familie. „Jetzt hoffe ich einfach, dass die Eindämmung des Virus bald voranschreitet und ich mein Studium in Bari wieder aufnehmen kann“, so der 24-Jährige. „Ich liebe Italien und die Zeit, die ich dort verbringe. Sobald ich kann, gehe ich zurück.“
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