Justiz

Brandstiftung: Feuerwehrmann in Lübeck vor Gericht

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Janina Dietrich

Staatsanwaltschaft wirft Reinbeker elf Taten im Südosten Schleswig-Holsteins vor. Mehrere Scheunen brannten völlig aus.

Lübeck/Reinbek.  Er soll immer wieder Scheunen und Ställe in Brand gesetzt haben: Ein Feuerwehrmann aus Reinbek muss sich seit Montag wegen schwerer Brandstiftung vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Elf Feuer soll der 51-Jährige von November 2018 bis Juni 2019 in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg gelegt haben. Seine Zielobjekte waren ausschließlich landwirtschaftliche Gebäude. Es entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Bei einem Feuer starben 30 Rinder, ansonsten blieb es bei materiellen Schäden.

Beim Prozessbeginn äußert sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Mit ruhiger Stimme verneint der große, schlaksige Mann die entsprechende Frage der Richterin. Auch zu seinen persönlichen Verhältnissen will er nichts sagen. Stattdessen reden zunächst ehemalige Kollegen. Die Feuerwehrmänner erzählen von einem Streit, der ein Auslöser für die Brandserie gewesen sein könnte. 2016 war der Angeklagte in ein kleines Dorf im Kreis Herzogtum Lauenburg gezogen, ein Jahr später der dortigen freiwilligen Feuerwehr beigetreten.

Freundin: Angeklagter kann schnell mal ausrasten

Der Wehrführer bezeichnet ihn vor Gericht als „pflichtbewusst“ und „unauffällig“, bescheinigt ihm eine „gute Leistungs­fähigkeit“. Auch andere Mitglieder äußern sich durchweg positiv. „Er war eine Bereicherung für unsere Wehr“, sagt ein Zeuge. Bis es im November 2018 in der Wache zu einem großen Streit kam. Weil mehrere Feuerwehrleute kurz vor einem Alarm Bier getrunken hatten, durften sie nicht zu dem Großeinsatz ausrücken. Darunter war der Angeklagte. Es wäre der erste „echte“ Löscheinsatz für den ehrenamtlichen Feuerwehrmann in seiner neuen Gemeinde gewesen.

Den Ausschluss wollte er offenbar nicht akzeptieren. Er habe doch die Pflicht, anderen zu helfen, soll der 51-Jährige argumentiert haben. „Er war uneinsichtig“, erinnert sich ein Feuerwehrmann. Mehrmals habe er versucht, den Angeklagten mit Argumenten zu erreichen – jedoch ohne Erfolg. „Irgendwann bin ich lauter geworden, da wirkte er plötzlich sehr aufgewühlt und unruhig“, sagt der Zeuge. „Die heftige Reaktion hat mich erschreckt.“ Nach dieser Auseinandersetzung erschien der Mann nie wieder zum Feuerwehrdienst.

Nur wenige Stunden später ereignete sich der erste Brand, für den die Staatsanwaltschaft den Angeklagten verantwortlich macht. Im Nachbarort Duvensee stand um kurz nach Mitternacht ein Stall mit Pferden und einem Strohlager in Flammen. Ein Nachbar konnte die Tiere im letzten Moment retten. Kurz vor der Tat soll der 51-Jährige einer Freundin gegenüber die Worte „Es müsste öfter brennen, damit die Leute sehen, wie wichtig die Feuerwehr ist“ geäußert haben. In den folgenden Monaten brannte es in der Umgebung immer wieder auf Bauernhöfen. Aber auch in Reinbek, wo der Angeklagte geboren und lange in der freiwilligen Feuerwehr aktiv war, gab es einen Fall.

Mobilfunkdaten haben mutmaßlichen Brandstifter überführt

Überführt haben den mutmaßlichen Brandstifter unter anderem die Mobilfunkdaten seiner Freundin. Ihr Handy war an mehreren Brandorten zu den jeweiligen Tatzeiten in Funkmasten eingeloggt. „Er hat mein Telefon öfter mal mitgenommen“, sagt die 36-Jährige vor Gericht. Trotz aller Indizien glaube sie weiterhin an die Unschuld ihres Freundes, betont die Mutter eines 15-jährigen Sohnes. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas macht.“ Per Brief habe sie sich erst kürzlich mit dem in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten verlobt.

Die 36-Jährige zeichnet aber auch das Bild eines Mannes, der wegen Kleinigkeiten schnell ausrastet und auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Im Streit seien schon mal Teller und Tassen durch die gemeinsame Wohnung geflogen. Auch ihr gegenüber sei er gewalttätig geworden, gibt die Frau auf Nachfrage der Richterin widerwillig zu. „Er hat versucht, mich zu treten, und hat mich auch mal fest am Arm gepackt.“ Geärgert habe er sich über alles Mögliche – von zu lauten Nachbarn über seine Arbeit als Kraftfahrer und das Engagement in der Feuerwehr bis hin zu anderen Autofahrern.

Feuerwehrmann nicht zum ersten Mal im Gefängnis

Nach Streits sei er oft mit dem Wagen weggefahren. Sie habe das nicht hinterfragt, sagt die Frau. Ihr sei aber aufgefallen, dass sich in dieser Zeit häufig Brände in der Umgebung ereigneten. „Bei Sirenengeräuschen habe ich irgendwann angefangen zu kontrollieren, ob mein Freund noch im Bett liegt“, sagt sie. Das sei meistens nicht der Fall gewesen. Dennoch habe sie ihn nie auf die Feuer angesprochen, weil sie ihm das nicht zugetraut habe. Während ihrer Aussage sucht der Angeklagte immer wieder Blickkontakt, lächelt ihr zaghaft zu. Die Ausführungen der anderen Zeugen verfolgt er dagegen fast regungslos, mal mit auf dem Tisch gefalteten Händen, mal macht er sich eifrig Notizen.

Nach dem Brand einer Scheune in Kühsen Ende Juni 2019 war der Feuerwehrmann schließlich verhaftet worden, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Offenbar nicht sein erster Aufenthalt im Gefängnis. Ein Zeuge erzählt, dass es bereits in den 1990er-Jahren Branddelikte im Süden Stormarns gegeben habe, für die der Angeklagte verantwortlich gewesen sei. Der mutmaßliche Brandstifter arbeitete damals als Hilfskraft auf einem Hof in Havekost. „Er war etwa fünf bis sieben Jahre für meinen Schwiegervater tätig“, sagt der heutige Hofbesitzer vor Gericht.

Das Urteil soll Anfang März verkündet werden

Am 24. Dezember 2018 ging auf dem Gelände in Havekost eine Halle mit Strohballen in Flammen auf, auch ein Traktor und ein Radlader brannten aus. Die Polizei vermutete zunächst einen technischen Defekt an der Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach, erst die dann folgende Häufung von Bränden ließ die Ermittler aufhorchen. Allein auf diesem Hof entstand ein Sachschaden von rund 160.000 Euro.

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Die Richterin bestätigt im weiteren Verlauf des ersten Prozesstages, dass der Angeklagte bereits wegen Brandstiftung im Gefängnis saß. Zudem habe er etliche Jahre in der Psychiatrie verbracht. Das Gericht hat insgesamt acht Verhandlungstage anberaumt und 47 Zeugen sowie drei Sachverständige geladen. Das Urteil wird für Anfang März erwartet.

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