Henstedt-Ulzburg

Eklat beim AfD-Parteitag

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Schleswig-Holsteins Landesvorsitzender verlässt vorzeitig den Saal. Neue Doppelspitze gewählt. Forsa-Wahlumfrage: neun Prozent möglich

Henstedt-Ulzburg.  Immer wieder geht ein Aufstöhnen durch den Saal beim AfD-Landesparteitag im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg. „Jetzt reicht es aber!“, „Aufhören!“, „Lügner!“ rufen einige der 224 stimmberechtigten Parteimitglieder, wenn am Podium mal wieder verbale Giftpfeile gegen innerparteiliche Gegner abgeschossen werden. Die Parteibasis der Rechtspopulisten hat bei dem Landesparteitag am Sonnabend Schlammschlachten spürbar satt und will endlich einen neuen Landesvorstand wählen. Am Ende sind Bruno Hollnagel, 68, und Jörg Nobis, 40, die strahlenden Sieger als neugewählte Doppelspitze.

Das Tischtuch zwischen dem alten Landesvorsitzenden Thomas Thomsen und fast allen anderen Vorstandsmitgliedern war seit Monaten zerschnitten, man überzog sich mit Schiedsgerichtsverfahren. Thomsens Kovorsitzender Markus Scheb hatte bereits im Januar resigniert und war zurückgetreten. „Wir bekommen hier keine objektive Darstellung, was der Vorstand gemacht hat oder nicht gemacht hat“, sagt ein Mitglied. „Schluss damit und zur Wahl schreiten!“ Dem Antrag wird stattgegeben. Das wiederum bringt den Kreisvorsitzenden vom Herzogtum-Lauenburg, Nico Gallandt, und auch seinen Parteifreund Thomsen auf die Palme, der die Option, sich erneut zur Wahl zu stellen, bis zuletzt offen gelassen hatte. „Dieser Parteitag ist eine Schande für Deutschland und keine Alternative für Deutschland“, ruft Gallandt und verlässt gemeinsam mit seinen Kreisfreunden und dem Lübecker Thomsen unter Protest den Saal. Thomsen sagt draußen vor der Saaltür, er sei empört, in mehreren Beiträgen diffamiert worden zu sein, aber keine Gelegenheit mehr bekommen zu haben, selber dazu Stellung zu nehmen.

Wie ein roter Faden zieht sich durch viele Wortbeiträge die Sorge, dass sich der Landesverband ein Jahr vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl im Mai 2017 durch Selbstzerfleischung um seine Chancen bringt. Das bringt auch die Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem am Vortag geschriebenen Grußwort zum Ausdruck. Dabei hat der Landesverband im Norden nicht das Problem enger Bande mit der rechtsextremen NPD, wie etwa der saarländische Landesverband.

Doch die inhaltliche Bilanz des alten Landesvorstands erscheint kläglich: Einen Tätigkeitsbericht könne er nicht geben, da es vom Landesvorstand eine Tätigkeit im Positiven in den acht Monaten des Vorstands nicht gegeben habe, sagt Thomsen vor dem Parteitag. Ein vernichtendes Urteil fällt auch Nobis: „Es lag alles brach, es funktionierte nichts.“ Es habe viel Sand im Getriebe gegeben. Der stellvertretende Vorsitzende Volker Schnurrbusch will Mut machen, die österreichische FPÖ sei in zehn Jahren von drei auf 30 Prozent gekommen. „Das sollte unser Vorbild sein“. Unter spärlichem Applaus sagt er, die AfD müsse weiblicher und jünger werden. Die „Kieler Nachrichten“ und „Lübecker Nachrichten“ veröffentlichten am Wochenende eine von ihnen in Auftrag gegebene repräsentative Forsa-Umfrage. Danach käme die AfD, die bisher nicht im Landtag vertreten ist, im Norden auf neun Prozent.

Die neue Doppelspitze gibt sich kämpferisch. Bei der Landtagswahl wolle er mit der AfD zehn Prozent erreichen, sagte Hollnagel. „Wir haben zurzeit eine sehr gute Situation, aber wir müssen uns das im positiven Sinne erkämpfen.“ Der AfD Schleswig-Holstein steht aber weiterer Krach ins Haus. Am Mittag kündigte Lothar Löser vom Kreisverband Pinneberg an, etwa 20 Parteimitglieder würden sämtliche Ergebnisse des Parteitags anfechten, egal, was dieser beschließen werde. Auf einem Landesparteitag im September sollen das Wahlprogramm und im Oktober auf einem weiteren Parteitag die Landesliste für die Landtagswahl beschlossen werden.

( dpa )

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